Bundesinnenminister Thomas de Maizière fordert von den Bundesländern

schnellere Abschiebung von Flüchtlingen

Bericht vom 19.04.2015

Manchmal ist es gar nicht schön, sich selber mit geforderten populistischen Maßnahmen auszutricksen. Besonders, wenn man die eigene Geschichte oder die seiner Familie sich bewusst macht. Aber die scheint Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière wohl vergessen zu haben.

Zur Erinnerung für ihn und für uns: die Familie De Maizière ist eine Hugenottenfamilie, die im 17. Jahrhundert aus der Gemeinde Maizières bei Metz/Lothringen nach Brandenburg aus religiösen Gründen fliehen musste, wo ihr der Kurfürst Friedrich Wilhelm Asyl bot.

Die Hugenotten, wie die französischen Protestanten genannt wurden, wurden ab 1530 vom katholischen Klerus und dem König unterdrückt. Es kam zu Verfolgungen, die unter Ludwig dem XIV. ab 1685 ihren Höhepunkt erreichten. Ungefähr 250.000 Hugenotten flohen in die benachbarten protestantisch dominierten Gebiete in Europa und in Übersee. Darunter auch die Familie De Maiziere.

Was passiert wäre, wenn Kurfürst Friedrich Wilhelm die Familie nach Lothringen abgeschoben hätte, wage ich nicht zu Ende zu denken. Insofern sollte jemand, der Bundesminister ist und dessen Familie eine solche Tragödie hinter sich hat, mit dem Schicksal von Flüchtlingen sensibler umgehen. Niemand verlässt ohne Grund seine Heimat und lässt alles hinter sich. Flucht und Vertreibung bedeuten immer auch bekannte Strukturen, Gewohnheiten, soziale Bindungen Hab und Gut, etc. zu verlieren und sich Fremdem und Unbekanntem schutzlos auszuliefern.

Dies gilt sowohl für Menschen aus Kriegsgebieten als auch für die Flüchtlinge, deren Schicksal in Europa so gerne vergessen wird: den Menschen, die mit überfüllten Booten über das Mittelmeer versuchen zu uns zu kommen und deren Flucht oft auf so tragische Weise mit dem Ertrinken endet. Dies wird von den in Europa Regierenden billigend in Kauf genommen!

Der Schutz menschlichen Lebens und das Asylrecht stehen in allen Verfassungen der EU-Mitgliedsländer und ist auch Bestandteil der EU-Verfassung (Artikel II-61 ff/Artikel II-78 ff.). Sind damit nur Europäer oder Flüchtlinge mit Geld gemeint? Hier muss von den Parlamentariern der EU dringend ein anderer Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge gefunden werden, die bisherige Regelung, wonach die Ankunftsländer für die Asylgewährung zuständig sind, überfordern die Länder an den EU-Außengrenzen in hohem Maße. Solidarität untereinander (die auch in der EU-Verfassung verankert ist!) und miteinander ist gefordert in einem höchst monetär verpflichteten Wirtschaftsgebilde, in dem die Menschenrechte nur zu gerne wirtschaftlichem Kalkül geopfert werden. Diese werden von Politikern bei Besuchen in anderen Ländern nicht mehr eingefordert sondern "angemahnt"! Auch in dieser Beziehung hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden.

Josef Scherer


 
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© 2004 Josef Scherer
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