Texte gegen den Irak-Krieg

Inhaltsverzeichnis

Der eine Gott des Friedens
Die Spur der Falken - George W. Bushs Familienfehde mit Saddam Hussein/ von J. Todenhöfer
Interview mit Jürgen Todenhöfer   "30 Tage Bomben provozieren 30 Jahre Terrorismus"
Makabre Algebra mit Opferzahlen?
Über den Umgang mit der Wahrheit im Antiterrorkrieg / Von Jürgen Todenhöfer
Internationale Freundschaft. Die Menschheit
Fantasie von übermorgen
 
unten
 

Der eine Gott des Friedens

Was ist von Weihnachten geblieben, von der Verheißung des Kindes, das ein Friedensfürst sein und dessen Herrschaft des Friedens und der Gerechtigkeit kein Ende nehmen sollte? Sollten nicht Waffenklirren und Kriegsgeschrei und das Stampfen von Soldatenstiefeln für immer verbannt sein? So haben wir gehört. Was ist davon geblieben - in unseren Hoffnungen, in unserem Denken, unserem Handeln?

Wir leben in der angespannten Erwartung eines Krieges. Der Papst hat einen solchen Krieg eine Niederlage der Menschheit genannt. Viele teilen diese Meinung. Ich auch. Und ich frage mich, wo meine Verantwortung liegt.

Es kann hier nicht um die politischen Hintergründe gehen. Wohl aber darum, das Geschehen in den Zusammenhang unseres Glaubens zu stellen. Oft wurde der Konflikt zwischen Muslimen, Juden und der christlich orientierten Welt als ein Krieg der Religionen bezeichnet. Ich halte dies für falsch. Natürlich sind religiöse Motive im Spiel -missbrauchte religiöse Motive-, aber es ist kein Krieg zwischen den Religionen. Vielmehr ist es ein Krieg innerhalb des Monotheismus, zwischen Menschen also, die verbunden sind durch den Glauben an den einen Gott. Es ist der Gott Abrahams, lsaaks und Jakobs, es ist der Gott Jesu Christi, es ist Allah, aber es ist nicht der Gott der Juden oder der Christen oder der Muslime. Es ist der eine Gott, dessen tiefstes Geheimnis eine unbegreifliche Liebe ist. Der Name dieses Gottes ist Frieden und nicht Krieg. Krieg ist Verrat an Gott. Von diesem erhoffen Christen ebenso wie Juden und Muslime Erlösung, einen umfassenden Frieden, Schalom.

Ohne das Gespräch zwischen den monotheistischen Religionen über ihre gemeinsame Hoffnung wird es keinen Frieden geben. Kann ich dazu beitragen, indem ich mich öffne für das, was anderen heilig ist, was sie hoffen, was sie ängstigt und verletzt? Bin ich bereit, den Glauben des Anderen ernst zu nehmen? Das Kind, von dem an Weihnachten die Rede ist, das im Glauben der Juden, der Christen und der Muslime von Bedeutung ist, soll ein Friedensfürst sein, der alle gewalttätige Rechthaberei beschämt. Diese Botschaft ist keine Idylle. Sie ist eine Herausforderung, entschieden zu widerstehen, wenn Menschen Hass predigen und zum Krieg rüsten und dabei auch noch den Namen Gottes im Munde führen.               Thomas Broch

Quelle: neue caritas 5/2003. 12.

 
INHALT
 

Frankfurter Rundschau vom 28.02.2002

Die Spur der Falken

George W. Bushs Familienfehde mit Saddam Hussein
Von Jürgen Todenhöfer

Saddam Hussein wäre gern als Nachfolger von Nebukadnezar in die Geschichte eingegangen. Aber statt sein Volk zum Ruhm zu führen, hat der 64-jährige Diktator Irak in die politische Isolation und in ein wirtschaftliches Desaster geführt.

Saddam Hussein ist einer der brutalsten Despoten dieser Welt. Auf seinen Befehl hin werden im Norden Iraks die Kurden und im Süden die Schiiten, die die Mehrheit der irakischen Bevölkerung ausmachen, gnadenlos verfolgt. Während das Volk hungert, lebt die Führungsclique um Saddam Hussein in Saus und Braus. Sie profitiert seit Jahren von einem vorzüglich funktionierenden Schmuggelsystem mit den Nachbarländern Türkei, Iran und Syrien und ist der einzige Gewinner der seit elf Jahren bestehenden Sanktionen gegen Irak. Saddam Hussein hat Irak in seiner über 20-jährigen Amtszeit mit eiserner Hand zu einem nationalistischsozialistischen Einheitsstaat zusammengeschweißt. Noch immer verfügt er über eine relativ schlagkräftige Armee, deren elitärer Kern die bis zu hunderttausend Mann umfassende Republikanische Garde ist. Mit der Militärmacht des Jahres 1991 ist sie jedoch trotz angeblicher Bestände an chemischen und biologischen Waffen nicht mehr vergleichbar. Es wäre dennoch ein Segen für das irakische Volk und die gesamte Region, wenn der Irak von diesem Tyrannen und Waffennarren befreit würde.

Trotzdem ist dies kein Plädoyer für einen Krieg gegen Irak. Es ist ein Plädoyer für kluge Politik und Diplomatie. Das Urteil über die bisherige Strategie der USA und Großbritanniens gegenüber Irak fällt nicht positiv aus. Die beste Gelegenheit, Saddam Hussein auszuschalten, ließ Präsident George Bush sen. zögernd und zaudernd aus, als die irakische Armee 1991 im Golf-Krieg geschlagen und Saddam Hussein stehend k. o. war. Nicht viel klüger waren die jahrelangen Bombenangriffe der USA und Großbritanniens auf irakische Städte. Der französische Staatspräsident Chirac nannte sie "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sein Außenminister Védrine bezeichnete sie als "unnötig, grausam und mörderisch", während Bundeskanzler Schröder schon 1991 angesichts der Tatsache, dass "hier ein ganzes Volk kollektiv für seine diktatorische Regierung bestraft wurde", öffentlich über extreme Schlaflosigkeit klagte. Auch UN-Generalsekretär Annan meldete wiederholt Protest an.

In der Tat drängt sich der Eindruck auf, dass die Strategie der USA und Großbritanniens gegenüber Irak nach 1991 ausgesprochen willkürlich war, auf humanitäre Aspekte keine Rücksicht nahm und nach dem Motto vorging: "Tue nichts Gutes, dann widerfährt dir nichts Böses!" Das gilt nicht nur für George W. Bush jun., der die Auseinandersetzung mit Saddam Hussein offensichtlich als Familienfehde versteht, sondern auch für seinen Vorgänger Bill Clinton, der sich mit seinen Angriffen auf Irak aus seinen Sexaffären herauszubomben versuchte. Die politischen und menschlichen Folgen dieses Vorgehens waren desaströs. Saddam Hussein wurde nicht geschwächt, sondern gestärkt. Geschwächt wurde lediglich die irakische Bevölkerung. Bei den Bombenangriffen auf die Städte, auf Krankenhäuser, Schulen und Wohnhäuser starben in den letzten Jahren tausende Zivilpersonen. Ist das einer der Gründe, warum sich die USA so vehement gegen einen internationalen Strafgerichtshof wehren?

Noch verheerendere Folgen hatten die seit elf Jahren andauernden Sanktionen, die selbst der Vatikan "pervers" nannte. Die irakische Mittelschicht ist inzwischen völlig verarmt. Universitätsprofessoren sind an manchen Tagen von frühmorgens bis spätabends unterwegs, um die Essens- und Seifenrationen zusammenzubringen, die ihnen und ihrer Familie monatlich zustehen. An anderen Tagen stehen sie an den Straßen Bagdads und verkaufen ihre letzten Habseligkeiten, von Glühbirnen bis zu Büchern und Möbeln, um ihre Familien durchzubringen. Zwischen fünf und 20 Euro betragen die monatlichen Durchschnittseinkommen in Irak. Davon kann niemand leben.

Nach irakischen Angaben starben durch die Sanktionen 1,6 Millionen Menschen, darunter 670 000 Kinder. Selbst Unicef geht davon aus, dass in den letzten zehn Jahren über eine halbe Million Kinder an Unterernährung und mangelnder medizinischer Versorgung gestorben sind. Das sind 5000 Kinder monatlich! Die Sanktionen gegen Irak grenzen an Völkermord. Was tun? Die Falken in der Bush-Administration, berauscht von den Erfolgen ihrer Zwei-Milliarden-Dollar-Bomber gegen die Hundert-Dollar-Kalaschnikows der Taliban, fordern einen Präventivkrieg gegen Irak. Sie begründen ihre Forderung mit angeblichen Verbindungen Saddam Husseins zu Al Qaeda und der Gefahr, dass dieser muslimischen Terroristen Massenvernichtungswaffen zur Verfügung stellen könnte.

Natürlich hat auch im Kreuzzug gegen den transnationalen Terrorismus (George W. Bush) jeder ein Recht auf eine eigene Meinung. Aber niemand hat ein Recht auf eigene Fakten. Saddam Hussein ist als säkularer sozialistischer Nationalist das Gegenteil eines muslimischen Fundamentalisten. Er hat die muslimischen Extremisten seines Landes stets gnadenlos verfolgt. Es gibt bis heute keine ernst zu nehmenden Beweise über eine Förderung des muslimischen Terrorismus durch Irak. Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, der israelische und selbst der amerikanische Geheimdienst haben eingeräumt, dass es keine konkreten Informationen gebe, die Saddam Hussein mit den Terroranschlägen vom 11. September in Verbindung bringen. Und auch Nato-Generalsekretär George Robertson erklärte dieser Tage lakonisch: "Die Amerikaner haben erklärt, dass sie zurzeit keine Informationen haben, nach denen eine Verbindung zwischen Al Qaeda und Irak besteht." Fundamentalistische Gruppen, die mit Al Qaeda in Verbindung stehen, tummeln sich lediglich im kurdischen Norden des Irak, der allerdings nicht von Saddam Hussein beherrscht wird, sondern unter dem Schutz der amerikanischen und britischen Luftwaffe steht.

Auch der Versuch der Falken der Bush-Regierung, die Milzbrandanschläge Saddam Hussein in die Schuhe zu schieben, ist inzwischen gescheitert. Das verwendete Anthrax stammte offenbar aus Militärlabors der USA. Peinlicher geht es nicht mehr! Wenn die USA Irak dennoch angreifen sollten, dann hat das mit ihrem Weltkrieg gegen den Terrorismus nichts zu tun. Dann werden lediglich alte Rechnungen beglichen. Auch dafür könnte es gute Gründe geben. Die USA haben Recht, wenn sie die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen in der Dritten Welt verhindern wollen. Ihre Position wäre allerdings überzeugender, wenn sie durch eine drastischere Reduzierung ihrer nuklearen Waffenarsenale mit gutem Beispiel vorangehen würden. Die USA haben ferner Recht, wenn sie die Rückkehr internationaler Waffeninspektoren nach Irak fordern. Und sie haben auch Recht, wenn sie die irakische Opposition massiv unterstützen und nach legalen Wegen suchen, den Tyrannen Saddam Hussein zu stürzen. Aber sie haben nicht Recht, wenn sie glauben, die einzige Möglichkeit, das zu erreichen, sei Krieg.

Es ist eine verhängnisvolle Entwicklung, dass die USA, seit sie über ein uneingeschränktes Weltmachtmonopol verfügen, den Krieg immer mehr zur Prima Ratio ihrer Außenpolitik machen. Monopole verführen offenbar nicht nur im Wirtschaftsleben zu Übermut und Machtmissbrauch, sondern auch im Zusammenleben der Staaten. Die USA geben zurzeit ihre jahrzehntelang erfolgreiche Strategie auf, militärische Stärke stets mit Diplomatie und Gerechtigkeit zu verbinden. Die Sowjetunion ist nicht wegen der militärischen Übermacht der USA zusammengebrochen, sondern weil die USA als Führer der westlichen Welt gleichzeitig das gerechtere und wirtschaftlich erfolgreichere System anzubieten hatten. Die USA verschenken ihre wichtigste Trumpfkarte, wenn sie in Zukunft nur noch auf militärische Stärke und Krieg setzen.

Dabei gäbe es gerade jetzt eine Chance, das Irak-Problem politisch zu lösen. Der Lösungsansatz hieße: Irak muss die Rückkehr internationaler Waffeninspektoren zulassen (allerdings ohne "Wanzen" der CIA). Als Gegenleistung müssen die Vereinten Nationen wenige Monate danach ihre Sanktionen aufheben. Die USA weigern sich allerdings kategorisch, mit Saddam Hussein zu verhandeln. Die hämischen Stellungnahmen Saddam Husseins zu den Terroranschlägen vom 11. September haben sie tief verletzt. Auch lässt Saddam Hussein, der den Anti-Amerikanismus zur Staatsraison seines Landes gemacht hat, keine Gelegenheit aus, den amerikanischen Präsidenten als Sohn der Schlange und Zwerg zu verhöhnen.

Aber all dies sind keine Gründe, die Chance einer politischen Lösung auszulassen. Wenn es um Krieg und Frieden geht, muss man bereit sein, auch mit dem Teufel zu verhandeln. Saddam Hussein wäre nicht der einzige Despot dieser Welt, mit dem die USA nicht nur verhandeln, sondern ausgesprochen eng kooperieren. Wenn George W. Bush dennoch den Befehl zum Angriff auf Irak und seine Städte gibt, werden nicht nur tausende unschuldige Zivilpersonen sterben. Sterben wird auch das, was den eigentlichen Wert unserer Zivilisation ausmacht: dass wir die Würde der Menschen in Irak und in anderen Ländern der Dritten Welt genauso achten wie die Würde der Menschen in New York, London, Paris und Berlin.

Der Verfasser ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Hubert Burda Media und war 1972 bis 1990 Mitglied des Deutschen Bundestages und in dieser Zeit entwicklungs- und rüstungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

 
INHALT
 

INTERVIEW MIT JÜRGEN TODENHÖFER

"30 Tage Bomben provozieren 30 Jahre Terrorismus"

Der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete und jetzige Burda-Manager Jürgen Todenhöfer ist streitbarer Verfechter der deutsch-amerikanischen Freundschaft. In den 80er Jahren bereiste er unter Lebensgefahr das von Sowjets besetzte Afghanistan, jetzt war er zweimal in Bagdad. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE erklärt er die Irrtümer des Kreuzzugs gegen den Terror und warum George W. Bush ein Anti-Amerikaner ist.

SPIEGEL ONLINE: Sind Sie ein alter Europäer?

Todenhöfer: Im besten Sinne des Wortes. Ich bin mit einer Französin verheiratet, eine Tochter lebt in London. Im Französischen gibt es einen Begriff für die Ehe, der so viel bedeutet wie "zärtlicher Krieg". Damit kennen sich Deutsche und Franzosen aus.

SPIEGEL ONLINE: Die USA tauschen mit Frankreich und Deutschland aber keine Zärtlichkeiten mehr aus.

Todenhöfer: Das müssen sie auch nicht. Zuhören würde ja schon reichen. Ich bin ein großer Freund der USA. Aber wie verhalte ich mich, wenn mein bester Freund ein wehrloses Nachbardorf überfallen will und ich das für falsch halte? Bin ich dann ein Freund, wenn ich mitmache, oder bin ich ein Freund, wenn ich ihm sage: Stop! So nicht!

SPIEGEL ONLINE: Ihr Freund hält den Irak keineswegs für wehrlos, sondern für eine große Bedrohung.

Todenhöfer: Ich war gerade zweimal im Irak. Dieses Land kann man nicht K.O. schlagen. Es ist bereits K.O.

SPIEGEL ONLINE: Aber fit genug für ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Waffeninspektoren?

Todenhöfer: Der Irak gehört abgerüstet. Aber nicht durch einen Krieg. Die Waffeninspektoren haben in den 90er Jahren zehn Mal mehr Waffen gefunden und vernichtet als Bush senior in seinem Golfkrieg. Das Land war noch nie so geschwächt wie jetzt, die Situation noch nie so günstig, um alle Bedingungen durchzusetzen, um die vermeintliche Bedrohung durch den Irak einzudämmen.

SPIEGEL ONLINE: Wären die Inspektoren denn überhaupt im Land, wenn die USA nicht diese Drohkulisse aufgebaut hätten?

Todenhöfer: Ich bin durchaus für Härte. Aber den USA geht es nicht um die Inspektoren. George Bush will diesen Krieg. Einen Krieg, der völkerrechtswidrig, kontraproduktiv, unmoralisch und unnötig ist.

SPIEGEL ONLINE: Was sind denn Bushs Motive für diesen Krieg?

Todenhöfer: Er braucht dringend einen vorzeigbaren Erfolg. Das erklärte Ziel seiner Terrorbekämpfung in Afghanistan hat er verfehlt. Dort sind über 6000 Zivilisten durch amerikanische Bomben getötet worden. Aber Osama Bin Laden ist der größten Armee der Welt auf dem Rücken eines Esels entkommen. Dazu kommen geopolitische und wirtschaftliche Interessen. Außerdem ist der Irak ein leichtes Ziel. Mit Nordkorea wird verhandelt, obwohl wir dort bereits wissen, dass ein Diktator Massenvernichtungswaffen besitzt, viel gefährlichere, als der Irak jemals hatte. Warum wird mit dem viel schwächeren Irak nicht verhandelt? Pakistan und Indien besitzen Atomwaffen, in Saudi Arabien finden Terroristen Unterstützung und Unterschlupf. Aber das sind "Verbündete" der USA.

 
INHALT
 

Makabre Algebra mit Opferzahlen?

Der deutsche Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass hat die US-Luftangriffe auf Afghanistan scharf kritisiert. Die USA hätten auf den (radikalislamischen) Terrorismus mit ihrem eigenen Terrorismus und somit auf unzivilisierte Weise reagiert, sagte Grass der Belgrader Zeitung Danas; vom Samstag.

"Die Amerikaner werden diesen Krieg (in Afghanistan) militärisch bestimmt gewinnen, verlieren aber gleichzeitig das Recht, wie ein zivilisiertes Volk zu sprechen, denn ihre Reaktion ist nicht zivilisiert und die Luftangriffe auf Afghanistan sind nicht die richtige Antwort auf die schrecklichen Anschläge auf New York und Washington", sagte der Schriftsteller in einem ausführlichen Interview.

Er warf den USA und dem Westen vor, sich viel mehr wegen 5000 Getöteten in New York als wegen der seinerzeit 800.000 Ermordeten in Ruanda aufzuregen. "Daraus folgt die Konsequenz, dass 5000 tote Weiße in Amerika viel, viel mehr wert sind als 800.000 tote Afrikaner und das ist eine schreckliche Sache", sagte Grass.

 

Der Flop

Süddeutsche Zeitung 11.2.2002

Über den Umgang mit der Wahrheit im Antiterrorkrieg / Von Jürgen Todenhöfer 

In Kriegszeiten ist die Wahrheit so kostbar, dass sie stets von einer Leibwache aus Lügen beschützt werden sollte“, meinte Churchill sarkastisch. Und so klopften sich die Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz wegen ihrer angeblichen Erfolge im Antiterrorkrieg gegen Afghanistan immer wieder kräftig und selbstgefällig auf die Schultern. Warum hat auf dieser Konferenz niemand den Mut gehabt, unseren amerikanischen Freunden als Freund zu widersprechen und eine überzeugende Alternative zur völkerrechtswidrigen Bombardierung von Städten vorzulegen? Warum hat niemand darauf hingewiesen, dass „man auf Dauer der Hydra des Terrorismus mit militärischen Mitteln nicht begegnen kann“, wie dies der damalige Bundeskanzler Kohl schon 1986 nach den amerikanischen Luftangriffen auf das Terroristennest Libyen unter dem Beifall aller Fraktionen im Deutschen Bundestag erklärt hatte? Hat denn der „Krieg gegen den Terror“ wirklich so „gut angefangen“, wie Präsident Bush in seiner Rede zur Lage der Nation vor einigen Tagen erklärt hat? Was würden unsere fabelhaften Sicherheitspolitiker von einem Polizeichef halten, welcher auf der Suche nach einem furchtbaren Terroristen, der sich nach einem verheerenden Anschlag auf ein bewohntes Hochhaus bei befreundeten Drogenhändlern in Kreuzberg versteckt hielte, Kreuzberg bombardieren ließe und dabei Hunderte unschuldiger Zivilpersonen, darunter zahlreiche Kinder, töten würde, den Terroristen entkommen ließe und trotzdem der Öffentlichkeit stolz verkünden würde, das Ganze sei ein großer Erfolg, denn immerhin seien die Drogendealer bei der Bombardierung weitgehend ausgeschaltet werden? Wir alle wissen, was mit diesem Polizeichef geschehen würde. Er würde sofort beurlaubt und vor Gericht gestellt ­ und zwar nicht wegen fahrlässiger Tötung, sondern wegen Totschlags, vielleicht sogar wegen Mordes. In Afghanistan ist genau dasselbe passiert. Wir ­ ich sage bewusst „wir“, weil der ganze Westen zugestimmt hat ­ haben auf der Jagd nach einem furchtbaren Terroristen mit dem Satz „Im Krieg geschehen nun mal schreckliche Dinge“ nach Berechnungen eines amerikanischen Professors aus New Hampshire durchschnittlich 65 Zivilpersonen pro Tag, darunter viele Kinder, getötet, den Terroristen und Massenmörder Bin Laden und den größten Teil seiner Führungsmannschaft entkommen lassen und trotzdem der Öffentlichkeit stolz verkündet, das Ganze sei ein großer Erfolg, denn immerhin seien die schrecklichen Taliban ausgeschaltet, die Infrastruktur Bin Ladens in Afghanistan zerstört worden. Warum ist das, was in der Innenpolitik eine Katastrophe, ein Verbrechen ist, in der Außenpolitik eine Heldentat? Warum darf man, sobald man die Grenzen seines eigenen Landes überschreitet, Dinge tun, die zu Hause kriminell sind? Sind 5000 unschuldig getötete afghanische Zivilpersonen weniger wert als 3000 unschuldig getötete Amerikaner? Heißt es in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung neuerdings statt „All men are created equal“, nur noch „All Americans are created equal“? Ein völkerrechtswidriger Krieg Ich bitte um Nachsicht, wenn ich die Selbstbeweihräucherungszeremonie des Westens störe. Aber der Bombenkrieg gegen die Städte Afghanistans war nicht nur völkerrechtswidrig, er brachte auch nicht den gewünschten Erfolg. Hier wurde wegen eines einzigen Terroristen ein ganzes Land plattgebombt, aber der, um den es ging, dem angeblich „alle Fluchtwege abgeschnitten“ waren, ist wie ein Phantom spurlos verschwunden. Der Afghanistan-Krieg, der Milliarden Dollar und über 5000 afghanische Zivilisten das Leben gekostet hat, war der teuerste, blutigste und peinlichste Flop in der Geschichte der Terrorismusbekämpfung. Er hatte zugegebenermaßen ein äußerst positives Nebenprodukt, die Vertreibung der Taliban, einer der schlimmsten Regierungen der Welt. Aber der Sturz dieser einstigen Hoffnungsträger und Subventionsempfänger der USA war, wie Außenminister Powell zu Beginn des Krieges ausdrücklich erklärt hatte, gar „nicht Ziel des Antiterrorfeldzugs“. Die Taliban sollten lediglich gestürzt werden, um leichter an Bin Laden heranzukommen. Die Vertreibung schrecklicher Regierungen steht auf der Prioritätenliste des Westens ohnehin nicht weit oben. Wir müssten sonst Dutzende Länder dieser Welt angreifen, darunter einige unserer wichtigsten politischen, militärischen und wirtschaftlichen Verbündeten und Rohstofflieferanten ­ und nicht nur den Irak im Rahmen der traditionellen Bush’schen Familienfehde. Ich hoffe trotzdem, dass es bald gelingen wird, Bin Laden auszuschalten. Dieses seelenlose Phantom der Dunkelheit verdient weder Mitleid noch klammheimliche Sympathie. Aber falls dies eines Tages gelingen sollte, dann sicher nicht durch die Bombardierung von Städten und Dörfern, sondern mit den bewährten Methoden der Terrorismusbekämpfung, dadurch, dass wir ihn von seinen saudi-arabischen Sponsoren abschneiden. Die Kommandozentrale, das Finanzzentrum der über 60 antiamerikanischen Terrororganisationen dieser Welt liegt nicht in Bagdad, Teheran oder Pjöngjang, sie liegt seit Jahren in Saudi- Arabien. Geradezu genussvoll nutzen darüber hinaus alle Gewaltherrscher der Welt inzwischen die Antiterror-Rhetorik des Westens, um ihre politischen Gegner als vogelfreie Terroristen zu denunzieren und noch brutaler zu bekämpfen. Wann weisen wir endlich mit demselben Nachdruck, mit dem wir für eine konsequente Bekämpfung des internationalen Terrorismus eintreten, die vielen Diktatoren und Schreckensherrscher dieser Welt in die Schranken? Noch einmal: Die Taliban haben kein Mitleid verdient. Aber rechtfertigt das, gefangene Taliban wie Tiere in Käfigen zu halten und der Weltöffentlichkeit vorzuführen? Zeigt sich die Stärke eines Rechtsstaats nicht gerade darin, wie er seine schlimmsten Feinde behandelt? Dass er ihnen nie ihre Würde nimmt? Dass er bei der Bekämpfung des Unrechts nie den Boden des Rechts verlässt? Dass er, wie es Papst Johannes Paul II. nach dem 11. September ausgedrückt hat, nie „der Versuchung des Hasses nachgibt“? Es war der eisenharte, unerbittliche Winston Churchill, der einst forderte: „Im Krieg Entschlossenheit, im Sieg Großmut.“ Lasst uns Kriegsverbrecher und Terroristen hart und gerecht bestrafen ­ aber wie Menschen, nicht wie Tiere. All diese Fehlentwicklungen sind so unübersehbar, so evident, und doch gibt es wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern nur wenige Stimmen, die auf die Blößen unserer Antiterror-Strategie hinweisen. Selten ist in der westlichen Politik ein so zentrales Thema so uncouragiert behandelt worden. Aus „uneingeschränkter Solidarität“ ist uneingeschränkte Unterwürfigkeit geworden, und das ist uneingeschränkt traurig. Merkt niemand, dass wir dabei sind, die militärische Führung der Welt zu gewinnen, die moralische Glaubwürdigkeit aber zu verspielen, ohne die der Terrorismus nicht zu besiegen ist? Der Autor war von 1972 bis 1990 entwicklungspolitischer Sprecher der CDU/ CSU im Bundestag. 

 
INHALT
 

Internationale Freundschaft

Die Menschheit

Wenn wir die ganze Menschheit auf ein Dorf von 100 Einwohner reduzieren würden, aber auf die Proportionen aller bestehenden Völker achten würden, wäre dieses Dorf so zusammengestellt:

57 Asiaten
21 Europäer
14 Amerikaner (Nord u. Süd)
08 Afrikaner
 
52 wären Frauen
48 wären Männer
 
70 Nichtweiße
30 Weiße
 
70 Nichtchristen
30 Christen
 
06 Personen würden 59% des gesamten Weltreichtums besitzen und alle 6 Personen kämen aus den USA.
80 hätten keine ausreichenden Wohnverhältnisse
70 wären Analphabeten
50 wären unterernährt
01 würde sterben
02 würden geboren
01 hätte einen PC
01 (nur einer!) hätte einen akademischen Abschluss

Wenn man die Welt aus dieser Sicht betrachtet, wird jedem klar, dass das Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit, Verständnis, Akzeptanz und Bildung notwendig ist.

Falls Du heute Morgen gesund und nicht krank aufgewacht bist, bist Du glücklicher als 1 Million Menschen, welche die nächste Woche nicht erleben werden.

Falls Du nie einen Kampf des Krieges erlebt hast, nie die Einsamkeit durch Gefangenschaft, die Agonie des Gequälten, oder Hunger gespürt hast, dann bist Du glücklicher als 500 Millionen Menschen der Welt.

Falls Du in die Kirche gehen kannst, ohne die Angst, dass Dir gedroht wird, dass man Dich verhaftet oder Dich umbringt, bist Du glücklicher als 3 Milliarden Menschen der Welt.

Falls sich in Deinem Kühlschrank Essen befindet, Du angezogen bist, ein Dach über dem Kopf hast und ein Bett zum hinlegen, bist Du reicher als 75% der Einwohner dieser Welt.

Falls Du ein Konto bei der Bank hast, etwas Geld im Portemonnaie und etwas Kleingeld in einer kleinen Schachtel, gehörst Du zu 8% der wohlhabenden Menschen auf dieser Welt.

Falls Du diese Nachricht liest, bist Du doppelt gesegnet worden, denn

1. hat jemand an Dich gedacht und

2. gehörst Du nicht zu den 2 Milliarden Menschen die nicht lesen können. Und Du hast einen PC!

Einer hat irgendwann mal gesagt: Arbeitet, als würdet ihr kein Geld brauchen, Liebt, als hätte euch noch nie jemand verletzt, Tanzt, als würde keiner hinschauen, Singt, als würde keiner zuhören, Lebt, als wäre das Paradies auf der Erde.

 
 INHALT
 

Fantasie von übermorgen

Und als der nächste Krieg begann,

da sagten die Frauen: Nein!

und schlossen Bruder, Sohn und Mann

fest in der Wohnung ein.

Dann zogen sie, in jedem Land,

wohl vor des Hauptmanns Haus

und hielten Stöcke in der Hand

und holten die Kerls heraus.

Sie legten jeden übers Knie,

der diesen Krieg befahl:

die Herren der Bank und Industrie,

den Minister und General.

Da brach so mancher Stock entzwei.

Und manches Großmaul schwieg.

In allen Ländern gab‘s Geschrei,

und nirgends gab es Krieg.

Die Frauen gingen dann wieder nach Haus,

zum Bruder und Sohn und Mann,

und sagten ihnen, der Krieg sei aus!

Die Männer starrten zum Fenster hinaus

und sahn die Frauen nicht an...

Erich Kästner: „...was nicht in euren Lesebüchern steht“. Frankfurt a. M. 1973. 88.

 
1/1
 
INHALT
 
KONTAKT
PDF-FORMAT
© 2003 - 2006 J. Scherer
STARTSITE