DIE HEDSCHASBAHN

Ursachen, Hintergründe und Finanzierung des Bahnbaus

Mekka und Medina, heilige Städte aller Moslems lagen am Anfang des 20. Jahrhunderts im osmanischen Reich. Da eine Pilgerreise nach Mekka zu den wichtigsten religiösen Pflichten jedes Moslems gehört nahmen bereits damals rund 200.000 Pilger jährlich die beschwerliche „Hadsch“, die von Konstantinopel aus mehrere Wochen bis Mekka dauerte, auf sich. Wegen der aufständischen Beduinenstämme im Hedschasgebiet eine sehr unsichere Reise. Die Lösung war daher für Sultan Abdulhamid II. der Bau einer Bahnlinie von Damaskus bis Medina und Mekka, den er am 1. Mai 1900 verkündete.

Streckenverlauf ZOOM

So konnte der Sultan nicht nur den hunderttausenden Pilgern die strapaziöse Reise nach Mekka erleichtern und damit sein Ansehen in der gesamten islamischen Welt erheblich steigern sondern auch eine schnelle Nachschubmöglichkeit für seine Militärtruppen in die Gebiete der aufständischen Beduinenstämme schaffen.

Angesichts der leeren Staatskassen musste der Bahnbau aus Spenden, die in der ganzen islamischen Welt gesammelt wurden, und mit hohen Sonder-Steuern von den Muslimen finanziert werden. Möglich wurde der Bau letztlich auch nur, weil Tausende von Soldaten dafür abgestellt wurden um das heilige Projekt in der kurzen Zeit von nur acht Jahren zu verwirklichen.

Wegen des Finanzierungssystems und ihres religiösen Charakters gilt die Hedschasbahn bis heute als „Wakf‘, dies bedeutet eine fromme Stiftung. Nach islamischen Recht darf sie nur gemeinnützigen Zwecken dienen und weder als Ganzes noch teilweise veräußert werden.


Die Strecken der Hedschasbahn und ihre Vorgängerbahnen

Libanonstrecke Damaskus - Beirut

Von der französischen Gesellschaft „Societe Ottomane du Chemin de fer Damas-Hama et prolongements (D.H.P.) konnte 1894 die rund 95 km lange Bahnlinie Damaskus-Muzeirib eröffnet werden um die fruchtbare Ebene südlich von Damaskus, den Hauran zu erschließen. Als Spurweite wurde aus Kostengründen 1050 mm gewählt. Sinnvoll wurde dieses Projekt aber erst mit der ein Jahr später fertiggestellten Strecke von Damaskus nach Beirut. Die Strecke überwindet die doppelte Gebirgskette des Antilibanon- und Libanonmassivs (max. 1487 m über NN), auf der Beiruter Seite ergaben sich Steigungen bis 72 Promille und dies machte den Bau eines 35 km langen Zahnstangenabschnittes erforderlich.

Der Bau der Hedschasbahn begann am 26.10.1900 nur ein halbes Jahr nach Veröffentlichung des ersten Spendenaufrufes. Man begann in Muzeirib, dem Endpunkt der Hauranbahn, die mitbenutzt werden sollte, wodurch auch die Spurweite von 1050 mm festlag. Da die französischen Eigentümer der D.H.P. den hohen Kaufpreis von 7 Millionen Francs verlangten wurde 1903 eine eigene Strecke von Damaskus nach Deraa eröffnet. Nach dem Scheitern der Übernahmeverhandlungen bestand auch wenig Interesse mehr die Zulieferung zum Hedschas-Bahnbau über die Strecke Beirut-Damaskus durchzuführen und man begann bereits 1903 mit dem Bau der 161 km langen Zweiglinie Haifa-Muzeirib durch das Yarmuktal.

Schafherde an der Strecke Damaskus - Dera'a

Bahnstrecke Dera'a - Haifa vor Zaizun

Die landschaftlich hochinteressante Strecke steigt zuerst von Haifa kommend auf 412 m, um dann im Jordantal bei -246 m unter NN den tiefsten Punkt, der jemals von einer Eisenbahnlinie auf der Welt erreicht wurde, zu passieren. Bis Deraa muss die Trasse aber dann nochmals auf 526m über den Meeresspiegel klettern. Um die Steigungen bei max. 20 Promille zu halten mussten mehrere Seitentäler des Yarmuk-Flusses ausgefahren werden, 16 größere Viadukte, 6 Tunnels und Minimalradien von 100 m verleihen der Strecke Gebirgsbahncharakter.

Zunächst versuchten die Osmanen ohne fremde Hilfe beim Bahnbau auszukommen. Nach etlichen Schwierigkeiten wurde bereits ein Jahr nach Baubeginn der sächsische Ingenieur Heinrich August Meißner (1862-1940) zum Bauleiter bestellt, der bereits vorher bei verschiedenen Bahnprojekten im osmanischen Reich tätig war. Der Bahnbau ging dann recht zügig voran, 1903 wurde bereits Amman erreicht. Damals noch ein Beduinendorf gebaut auf den 7 Hügeln der 1200 v. Chr. erbauten ammonitischen Hauptstadt „Rabbath Ammon“.

Pilgerwagen im Bahnbetreibswerk Damaskus-Kadem

Alle Streckeneröffnungen wurden alljährlich zum Thronbesteigungsfest des Sultans begangen. Zum 1. September 1905 war man in Mudawara, es liegt heute an der jordanisch/saudi-arabischen Grenze, angelangt und am 1.9.1908 konnte bereits die 1302 km lange Gesamtstrecke von Damaskus nach Medina befahren werden. Damit war auch das erste große Ziel erreicht. Der 1906 zum Pascha ernannte Ing. H. A. Meißner durfte aber als „Ungläubiger“ bei der Eröffnungsfeier in Medina nicht dabei sein. Nachdem 1909 der Sultan Abdulhamid II abgelöst wurde konnte wegen des heftigen Widerstandes der Beduinenstämme und des Emirs von Mekka die Weiterführung zum Endziel der heiligen Stadt Mekka nicht durchgesetzt werden.

Triebwagen von De Dion Bouton im Bahnhof von Bosra

Vor dem ersten Weltkrieg wurden aber noch einige Zweig- und Ergänzungsstrecken gebaut.

Der ursprüngliche Endbahnhof der Hedschasbahn im Vorort Kadem, wurde 1910 durch eine 5 km lange Strecke mit dem neu erbauten zentral gelegenen Bahnhof Damaskus Kanawat verbunden. Aus strategischen Gründen wurde im Jahre 1913 eine Abzweigung von Coum Garz bei Deraa in das 33 km östlich liegende Städtchen Bosra eröffnet.


Die Entwicklung ab dem ersten Weltkrieg

Als das osmanische Reich als Verbündeter Deutschlands in den ersten Weltkrieg eintrat führte dies auch in Arabien zu einer gründlichen Umwälzung der politischen Verhältnisse.

T.E. Lawrence - „Lawrence von Arabien“ vereinte mit Rückendeckung der Briten die Araberstämme gegen die osmanischen Truppen und dabei blieb deren Lebensader die Hedschasbahn nicht verschont. Zahlreiche Anschläge auf die Bahnlinie wurden 1917 durchgeführt und an mehreren Stellen unterbrochen. Noch heute liegen in der saudi-arabischen Wüste gesprengte Lokomotiven und Züge. Ein geregelter Eisenbahnverkehr konnte nach dem ersten Weltkrieg nicht mehr aufrecht erhalten werden. Der Zerfall des osmanischen Reiches brachte auch das Ende des durchgehenden Verkehrs auf der Hedschasbahn, wobei es bis 1924 noch sporadisch einige Sonderzüge bis Medina gab.

Die Aufteilung des Nahen Ostens in drei Mandatsgebiete machten auch die Saudi-Arabischen Bemühungen in der Zwischenkriegszeit zum Wiederaufbau der Gesamtstrecke zunichte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Hedschasbahn auf vier Staatsgebiete verteilt: Israel, Syrien, Jordanien und Saudi-Arabien.

Israel bekam ein Teilstück der Strecke Haifa - Deraa, jedoch mit der Sprengung der großen Jordan-Brücke im Jahre 1946 wurde der Abschnitt bis zur Syrischen Grenze stillgelegt und später fast gänzlich abgebaut. Von Saudi-Arabien wurde sogar Ende der 60er Jahre nochmals ein Versuch zum Wiederaufbau der gesamten Pilgerbahn unternommen, die Konkurrenz der Fluglinien mit ihren speziell eingerichteten Pilgerflügen machte aber auch dieses Projekt zunichte. Nur in Syrien und Jordanien fahren die Hedschasbahn-Züge heute noch.


Gegenwart und Zukunft der Hedschasbahn

Zukunftspläne für die Pilgerbahn, die bereits seit drei Jahrzehnten in den Schreibtischschubladen der Hedschasbahnverwaltung verstaubten sind nun doch wieder hervorgeholt worden. Die Pläne sahen einen Umbau der Strecke zwischen Damaskus und Amman vor, Teile der Streckenführung und die Spurweite, die bei der Hedschasbahn 1050 mm beträgt, sollten auf 1435 mm geändert werden. In dieser Zeit war man in Syrien optimistisch die erst 1982 eröffnete Normalspurstrecke von Aleppo nach Damaskus schnell Richtung Deraa (Grenzbahnhof zu Jordanien) und Amman zu erweitern. Die politischen Entwicklungen in dieser Region haben diese Pläne aber bald wie ein Märchen aus 1001 Nacht erscheinen lassen.

Zug auf Normalspurstrecke von Damaskus nach Aleppo

Bahnhof Damaskus-Knawat

Überraschend begann man dann doch vor 2 Jahren mit Umbauarbeiten in Damaskus, die vorerst nur die vorübergehende Stilllegung der Stadtstrecke zwischen dem zentralen Hedschasbahnhof Damaskus Kanawat und dem Vorstadtbahnhof Kadem vorsahen. Das gesamte Bauprojekt wurde nun zu einer kompletten Umgestaltung der Bahnlinien in der Millionenmetropole ausgeweitet. Die bisher in Damaskus Kadem endende Normalspurstrecke aus Aleppo wird teils in Tunnels in das Stadtzentrum verlängert. Auf dem Bahnhofsgelände des Hedschasbahnhofes wurden Anfang 2004 die gesamten Gleisanlagen demontiert und eine Baugrube ausgehoben, da auf diesem Areal einen Büro- und Einkaufskomplex mit einer unterirdischen Bahnhofsanlage entstehen soll. Zum Glück blieb das alte Bahnhofsgebäude, welches 1910 im spätosmanischen Stil erbaut wurde und die syrische Verwaltung der „Chemin de fer du Hedjaz“ (CFH) beherbergt, erhalten.

Nach Fertigstellung des neuen Bahnhofsareals soll daraus ein Museum werden. Durch dieses Bauvorhaben und wegen einer Hangrutschung in der Barada-Schlucht ist derzeit auch die spektakuläre Libanonbahn (Damaskus - Serghaya) nur auf einem Teilstück befahrbar. In El Hame, 12 km vom Hedschasbahnhof entfernt, wurden vorsorglich drei Dampfloks und mehrere Personenwagen hinterstellt um auch während der Trennung der Libanonbahn vom übrigen Bahnnetz Sonderzüge führen zu können.

Schalterhalle im Bahnhof Damaskus-Kanawat

Dampflock in El Hame/Baradatal

Nach Fertigstellung des neuen Bahnhofes im Stadtzentrum soll neben der Normalspurlinie auch wieder ein Gleisverbindung mit 1050 mm Spurweite nach Kadem gebaut werden und ebenfalls die Libanonbahn einen Gleisanschluss erhalten um im Sommer die beliebten Ausflugszüge für die hitzegeplagten Einwohner von Damaskus in das kühle Barada-Tal führen zu können. Eine Umspurung der Hedschasbahn Richtung Amman ist auch weiterhin vorgesehen. Soweit die Zukunftspläne der syrischen Eisenbahnverwaltung - allerdings ob diese alle in Erfüllung gehen und in welchen Zeitraum weiß nur Allah.

Für alle Eisenbahnfreunde gibt es aber auch viel Positives zu berichten. Trotz aller Bautätigkeiten in Damaskus läuft der Eisenbahnbetrieb auf der Hauptstrecke Damaskus Kadem - Deraa - Amman besser als in den letzten Jahren. Zu dem zweimal wöchentlich verkehrenden „International Train“ Damaskus - Amman - Damaskus war 2004 mehrmals wöchentlich ein Güterzug auf dieser Verbindung unterwegs. Da die für die Planzüge auf syrischem Gebiet vorgesehenen rumänischen Dieselloks sehr schadanfällig sind, werden die Güterzüge immer wieder mit Dampflokomotiven zwischen Damaskus und Deraa bespannt. Außer der Hauptstrecke sind nach wie vor die beiden Stichstrecken von Deraa nach Bosra bzw. ins Yarmuk-Tal bis Zeizun für Sonderzüge befahrbar.

Dampfsonderzug Dera'a - Amman im Bahnhof von Mafraq

Ausbesserungswerk Damaskus-Kadem

Schon seit mehreren Jahren war im Ausbesserungswerk Kadem die Rede von der Aufarbeitung einer Dampflokomotive der Bauart Mallet, aber man konnte es nicht so recht glauben da die beiden noch vorhandenen Loks dieser Bauart, schon seit mehr als 20 Jahren abgestellt und in sehr schlechten Zustand waren. Im Herbst 2002 wurde der Traum jedoch Wirklichkeit und seitdem fährt die 962, (Achsfolge B‘B1‘n4v) von Hartmann 1906 gebaut, wieder vor Sonderzügen.

Aber nicht nur in Syrien gibt es wieder frisch reaktivierte Dampflokomotiven auch in Jordanien hat man zur Dampflok Nr. 51 und 82 die Loks 23 (1‘D1‘h2, RSH-Robert Stephenson/1951) und 71 (1‘D1‘h2, HSP-Haine St. Pierre/1955) aufgearbeitet. In Jordanien werden die Dampflokomotiven aber ausnahmslos für Sonderzüge vorgehalten, da die Planzüge mit Dieselloks von General Electric bespannt werden. Diese Diesellokomotiven sind zum Unterschied zu den syrischen Exemplaren sehr zuverlässig und können im Bedarfsfall auch mit Loks der Aqaba Railway Corporation (ARC) getauscht werden.

Lok 23 auf der Strecke Amman - Qatrana

Daher kann man derzeit bei einer Sonderzugsreise auf der Hedschasbahn mehr Dampflokomotiven in Betrieb sehen als es in den letzten 25 Jahren jemals möglich war. Ob dies bei den nun beginnenden Bautätigkeiten auf der Pilgerbahn auch so bleibt ist jedoch ungewiss, wie so vieles in dieser Region.


QUELLENVERZEICHNIS

Der Text wurde mit freundlicher Genehmigung von Herrn Alfons Stettner zur Verfügung gestellt.


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