VON ALEPPO BIS QUATRANA - EINE REISE MIT DER HEDJAZBAHN |
Orientalisches Reisetagebuch |
Inhaltsverzeichnis |
Eine Vision entsteht |
Der Traum geht in Erfüllung |
Flug nach Amman |
Umm Qeis und Jerash - Rückkehr in die Antike |
Das Abenteuer beginnt! |
Von Aleppo nach Damaskus entlang der alten Hedjaztrasse |
Das Damaszener Labyrinth |
Widerspenstige Schafhirten und freundliche Beduinenfrauen |
Zugentgleisungen auf der Haifastrecke |
Bosra, Moderne und Antike treffen aufeinander |
Begegnungen in Dera'a |
Von Dera'a nach Amman |
Mit der Hedjazbahn durch die jordanische Wüste |
Wanderung durch Petra |
Rückkehr nach Deutschland |
Quellen- und Literaturverzeichnis |
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Vor über 10 Jahren sah ich einen ARD-Film über die Taurusbahn. Der Film schilderte den Bau der Bahnlinie, die im 19. Jahrhundert von deutschen Ingenieuren geplant und mit Hilfe eines Firmenkonsortiums und vieler türkischer und arabischer Arbeiter verwirklicht wurde. Die Strecke wird heute noch mit Linienzügen befahren. So fährt mehrmals wöchentlich der Taurusexpress vom Istanbuler Bahnhof Haidar Pasha bis zum Eisenbahnknotenpunkt Aleppo. Von dort aus fuhr vor dem Irak-Krieg ein Zug weiter bis nach Bagdad (Bagdadbahn). Die Hedjazbahnlinie führt als Zweiglinie von Aleppo bis nach Amman und wird ebenfalls heute noch zweimal in der Woche in beiden Richtungen mit Personen- und Güterzügen befahren. Der Film faszinierte mich und der Gedanke, eines Tages mit der Taurus- oder der Hedjazbahn zu fahren, ließ mich nicht mehr los. |
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Der Traum geht in Erfüllung |
Irgendwann, November 2004: auf Empfehlung von Bekannten schaue ich im Internet auf einer mir empfohlenen Homepage nach und lese die Überschrift "Mit Dampf durch den Orient ... auf den Spuren der Hedjazbahn in Syrien und Jordanien" , ich lese die Ausschreibung und sehe sofort: das ist es! Tanzen könnte ich vor Freude. Noch nie habe ich mich so schnell für eine Reise entschieden und sie gebucht! Doch wie das mit Träumen und Traumreisen so ist, der Traum droht bis zuletzt zu platzen, da sich nicht genügend Teilnehmer angemeldet haben. Bei wiederholten Anrufen beim Reiseveranstalter erfahre ich dann, dass die Reise wahrscheinlich stattfindet, da sich noch ein Film-Team angemeldet habe. Und dann, vier Wochen vor Reiseantritt die erlösende E-Mail: die Reise findet statt!!! |
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Samstag, 21. Mai 2005 |
Diesmal beschliesse ich wirklich zeitig am Flughafen in Frankfurt zu sein. Und so fahre ich schon um 10.24 Uhr von Bonn nach Frankfurt und bin drei Stunden vor Abflug am Airport. Sofort checke ich am Schalter der Royal Jordanien Airlines ein. Im Abflugterminal treffe ich später noch einige andere Eisenbahnfreunde, die die gleiche Reise gebucht haben. Mit uns fliegt auch ein Filmteam aus Berlin, dass uns auf unserer nostalgischen Reise mit der Hedjazbahn begleiten wird. Pünktlich startet dann der Flug RJ 126 mit Zwischenlandung in München. Bei bestem Flugwetter geht es dann gegen 17.05 Uhr weiter. Über den Alpen sehe ich sehr schöne Wolkenformationen, die ich unbedingt fotografieren muss. |
In Amman kommen wir gegen 22.00 Uhr an. Das Filmteam hat Schwierigkeiten, die gesamte Ausrüstung durch den Zoll zu bekommen, da der maßgebliche Beamte keinen Dienst mehr hat. Erst später gelingt es ihnen doch noch, alle 28 Gepäckstücke mitnehmen zu können. Wir fahren zur Übernachtung zu unserem Hotel, dass ganz in der Nähe des Flughafens liegt. |
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Sonntag, 22. Mai. 2005 |
Am nächsten Tag fahren wir nach dem Frühstück von Amman nach Umm Qeis. Es ist eine gut 2 1/2 stündige Fahrt durch das fruchtbare Jordantal. Da am Toten Meer das World Economic Forum 2005 mit 1300 Delegier-ten, darunter zahlreichen Politikern stadtfindet, stehen in Abständen auf beiden Seiten der Autobahn Soldaten, die den Highway sichern. Erst als wir ins Jordantal abbiegen, und das Tote Meer hinter uns lassen, ist die Militärpräsenz verschwunden. Nassr unser jordanischer Begleiter erzählt uns, dass durch die industrielle Nutzung und den spärlichen Zulauf des Jordanwassers der Salzwasserspiegel des Toten Meeres seit Jahren dramatisch sinkt. |
In Planung sind deshalb zwei Modelle: 1. ein Kanal vom Mittelmeer bis in das 398 m u. d. Meeresspiegel liegende Tote Meer (durch eine tektonisch aktive Gegend wie den Jordangraben!) und 2. ein Kanal vom Roten Meer durch den Wadi Araba zum Toten Meer. Man scheint sich für die zweite Variante entschieden zu haben. Vielleicht siegt ja doch menschliche Vernunft über den Wahnsinn des technisch Machbaren. Unterwegs sehen wir auf der israelischen Seite Jericho. Auf den Strassen begegnen uns Lastwagen voll beladen mit Auberginen und anderem Gemüse, dass in dieser fruchtbaren Senke in landwirtschaftlichen Plantagen angebaut wird. Um Qeis, das antike Gadara, liegt auf einem Berg mit Blick auf den See Genezareth und die Golanhöhen. Obwohl die ehemalige antike Stadt, die zur Dekapolis gehörte, heute nur noch ein Ruinenfeld ist, lohnt sich der Besuch in jedem Fall. |
Man sollte sich für die Besichtigung ca. 2 1/2 bis 3 Stunden Zeit nehmen und in jedem Fall auch das Visitor Center besichtigen, in dem sich ein kleines sehenswertes Museum befindet. Nachdem wir den Eintritt bezahlt haben, gelangen wir zu den archäologischen Resten des römischen Theaters, besichtigen die Thermen, Kirchen und Gräber. Hier soll sich die im Neuen Testament erwähnte Geschichte der “Gadarener Schweine“ (Mt. 8,28) zugetragen haben. Von einer Aussichtsplattform haben wir einen guten Ausblick, auf den See Genezareth mit Tiberias und den Golanhöhen. Nach der Besichtigung fahren wir über Jerash zurück. |
In Jerash gehen wir vor der Besichtigung in ein arabisches Restaurant, wo wir ein hervorragendes arabisches Menü serviert bekommen. Anschließend besichtigen wir das antike Gerasa. Es ist wohl die am besten und vollständigsten erhaltene Stadt aus römischer Zeit. Über den Touristenbasar gelangen wir zum römischen Hippodrom, der ehemaligen Pferderennbahn, auf der in neuerer Zeit wieder Rennen nach antikem Vorbild stattfinden. Danach gelangen wir zum Ovalen Forum, in dem mich ein etwa 10 jähriger Postkartenverkäufer beeindruckt, der sehr sprachgewandt in mindestens 10 Sprachen seine Postkarten anpreisen kann und uns eine Kostprobe seines verkäuferischen Talentes zum Besten gibt. Er ist so gut, dass er einige der Postkarten verkauft. |
Nassr, unser jordanischer Begleiter fragt uns, was wir sehen. Wir sagen ihm: einen Rinderkopf! Er lacht und sagt, dass sei ein Wildschweinkopf und die Hörner seien die Stoßzähne! Wir sind etwas irritiert und trauen unseren Augen und Ohren nicht! |
Zum Schluss der Führung gehen wir ins Südtheater, wo uns ein besonderes Spektakel erwartet. In einer Ecke warten Musikanten in beduinischer Militäruniform auf touristisches Publikum und sind begeistert, dass sich an diesem heißen Tag doch noch eine Gruppe in das antike Theater verlaufen hat. Kaum hat unser Nassr seine Ausführungen beendet, setzt sich die Musikantentruppe in Marsch und |
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geht dreimal standesgemäss Marschmusik spielend an uns vorbei, um dann vor der Bühnenwand zu Ende zu spielen. Soviel Musikgenuss ist dann aber auch ein Trinkgeld wert, das in eine gläserne Vitrine eingeworfen wird. Am Spätnachmittag geht es dann nach Amman ins Hotel zurück. |
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Montag, 23. Mai 2005 |
Anderntags unternehmen wir vormittags eine Stadtrundfahrt in Amman, mit seinen historischen Schätzen und modernen Villenvierteln. Wir fahren hoch zur Zitadelle und haben einen wunderbaren Rundblick auf Amman und das römische Theater, welches direkt unter uns liegt. Wir besichtigen die Ausgrabungen: den Herkulestempel, den Omayyaden-Palast, eine frühchristliche Kirche und besuchen das Museum, wo es u.a. eine der berühmten Qumran Rollen zu besichtigen gibt. |
Sie stehen begeistert winkend an der Bahnstrecke oder kommen eilig angerannt, ist es doch nur zu selten geworden, dass ein Dampfsonderzug diese Strecke befährt. Plötzlich hält der Zug an. Ein Mitarbeiter des Zugpersonals hat beobachtet, dass etwas aus dem Fenster gefallen ist. Erste Verluste sind zu beklagen! Einer der Mitreisenden vermisst seinen Reisepass und den Geldbeutel. Beides ist aus dem Zug gefallen. Aber dank der Aufmerksamkeit des Zugpersonals werden die Gegenstände nach kurzer Zeit wieder gefunden. Erleichterung bei dem Verlierer, der nun wieder zum Gewinner geworden ist! |
In zahlreichen Kurven und über einen großen Viadukt führt die Strecke mit 20 Promille bergauf. Nach der Zugankunft in Qasar, fahren wir zum Abendessen, bei dem ich für kurze Zeit in die Rolle von Sheich Yussuf schlüpfe, und anschließend zum Flughafen Amman, wo wir für den Flug um 23.00 Uhr nach Aleppo einchecken. In der Aufregung fällt mir der Reisepass aus der Tasche. Mitreisende finden ihn glücklicherweise und geben ihn nicht ohne belehrende Ermahnungen zurück, als ob ich nicht selbst wüsste, wie wichtig dieses Dokument ist! Das Flugzeug, eine viermotorige Turboprob-Maschine, ist sehr eng und bis auf den letzten Platz besetzt. Es werden erste Befürchtungen laut, dass nicht alles Gepäck mitgenommen wurde. |
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Dienstag, 24. Mai 2005 |
Bei der Ankunft um 0.40 Uhr in Aleppo werden die Befürchtungen wahr: es fehlen zwei Gepäckstücke und die Ausrüstung des Filmteams ist auch nicht vollständig. Zudem hat das Filmteam wieder Ärger mit dem Zoll, wo es zu längeren Diskussionen kommt. Wir fahren zum hübschen Diwan Rasmy Hotel, welches direkt im Zentrum der Altstadt liegt, mit Blick auf die Zitadelle. Es ist eine historische aleppiner Villa, die in ein komfortables Romantikhotel umgewandelt wurde. |
Aber die Zeit drängt, bei unserem dichten Programm müssen wir weiter, da wir noch einiges von der legendenumwobenen Stadt, die auf mehr als 5000 Jahre Geschichte zurückblickt, sehen wollen. Wir spazieren durch das überwiegend von armenischen Christen bewohnte Jdaida-Viertel mit seinen engen Gassen, altarabischen Häusern mit Innenhöfen und Brunnen, sowie alten Kirchen. Wir betreten den Hof einer der Kirchen, die wir besichtigen können. Im Nebengebäude zeigt mir ein Mitreisender eine alte, verlassene Druckerei, die so gar nicht in das sonst ordentliche Bild der Anlage passt. Sie ist nicht mehr in Betrieb, aber die alten Druckmaschinen, Setzkästen und Letter stehen und liegen in wilder Unordnung im Raum herum. Fast sieht es ein bisschen nach Flucht aus. Das Ganze verbreitet einen morbiden Charme. |
Zunächst ist geplant, die Eisenbahnanlagen von Aleppo zu besichtigen, dann müssen wir in aller Eile in den Zug, weil die Abfahrtzeit um eine halbe Stunde vorverlegt worden ist. Wir fahren mit einem Sonderzug auf dem Normalspurnetz der syrischen Staatsbahn (CFS). Pünktlich um 13.30 Uhr läutet der Bahnhofsvorsteher die Bagdad-Glocke, das Abfahrtssignal für unseren Zug. Es beginnt nun die Zugfahrt auf der erst 1982 eröffneten Bahnlinie nach Damaskus-Kadem. |
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Mittwoch, 25. Mai 2005 |
Da ich vom Bahnhof noch einige Fotos machen möchte, beschließe ich zum Gebäude zurück zu gehen. Nachdem ich das Foto geschossen habe, kommt ein Soldat aus seinem Wachhäuschen heraus und bittet mich höflich aber bestimmt mit ihm mitzukommen. Mir ist sofort klar, der Bahnhof ist ein militärisches Objekt und darf nicht fotografiert werden. Alle möglichen Gedanken rasen durch meinen Kopf, was nun wohl geschehen wird. Besondere Sorge mache ich mir um meinen Fotoapparat und den belichteten Film. Wird man ihn mir – wie ich dies in diversen Agententhrillern gesehen habe – aus der geöffneten Kamera herausreissen und ihn so verderben? |
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Wann werde ich jemals wieder freikommen, nachdem ich unerlaubter Weise militärische Geheimnisse abgelichtet habe? Werde ich wohl als westlicher Spion enttarnt? Wir nähern uns zielstrebig dem Bahnhofsgebäude und gehen in das Büro eines weiteren blauuniformierten. Die Situation ist eindeutig und schnell geschildert. Zu meiner Verteidigung kann ich in meinem internationalen Gemisch aus einigen Brocken Arabisch und etwas Englisch nicht viel hervorbringen. Aber der Blauuniformierte hat verstanden. Ein Anruf, und er lächelt mir freundlich „Traingroup?“ fragend zu. So verdattert wie ich bin, kann ich nur nicken und stotternd ein „yes“ hervorbringen. Aber es ist alles in Ordnung und ich kann gehen. Erleichterung bei mir, auf der ganzen Linie. Mir wird schlagartig klar, zum Geheimagenten bin ich nicht geeignet! |
Von den anderen unbemerkt habe ich diese Episode überstanden und kann beruhigt und mit allen auf Zelluloid gebannten Fotos in den Bus einsteigen, der uns nach kurzer Fahrt nach Damaskus zum Stadtzentrum bringt, wo wir den Hedjazbahnhof, in dem sich die syrische Bahnverwaltung „Chemin de fer du Hedjaz“ (CFH) befindet, besichtigen. Der Bahnhof wurde 1910 im spätosmanischen Stil erbaut. Mit seinen bunten Jugendstilglasfenster und der gut erhaltenen Fassade strahlt er immer noch das Flair des frühen 20. Jahrhunderts aus. |
Hinter dem Bahnhofsgebäude befindet sich die längste Baugrube von Damaskus. Hier entsteht eine unterirdische Bahntrasse, die nach Fertigstellung Damaskus Kanawat mit Damaskus Kadem verbinden soll, so dass man von der Innenstadt bis Aleppo fahren kann. Ein großes Bauprojekt, dass das Aussehen dieses Teils der Altstadt mit seinen neuen Gebäuden und gläsernen Einkaufstempeln maßgeblich prägen, und wie ich meine, nachhaltig nachteilig verändern wird. Ein Modell all dieser Schäusslichkeiten steht in der Empfangshalle des Bahnhofsgebäudes und kann dort bestaunt werden. |
Immer wieder kommen Frauen und Männer an das Gitter, um ein Gebet zu sprechen und die Gitterstäbe zu berühren. Sie bitten um Segen für sich und ihre Familien. Es ist die Zeit des Mittagsgebetes und da der Muezzin die Gläubigen zum Gebet gerufen hat, füllt sich allmählich die Moschee mit Menschen, die zu Gott (Allah) beten und sich vor ihm niederwerfen. |
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Da ich an einer anderen Stelle aus dem Souq herauskomme, wird mir schnell klar, dass ich mich verlaufen habe. Ich gehe zurück, finde aber nicht die richtige Souqgasse. Ich beschliesse, noch mal zurückzugehen, um parallel des Souqs an der Aussenseite zum Treffpunkt zu gehen. Dort angelangt, muss ich mir eingestehen: ich habe mich verlaufen und vollkommen die Orientierung verloren. Mittlerweile ist von der Zeit die ich habe, um zum Treffpunkt zu gelangen, nur noch eine halbe Stunde über. Blanke Panik ergreift mich, der Adrenalin-Spiegel steigt! In einer Seitenstrasse der Altstadt spreche ich einen damaszener Händler in Englisch an, was dieser allerdings nicht versteht, da er nur arabisch spricht. Hilfsbereit wie er ist, bringt er mich zu seinem Nachbarn, der zwar etwas englisch versteht, mir aber auch nicht weiterhelfen kann. Um das Ganze abzukürzen, beschließe ich, mich höflich bedankend von den beiden zu verabschieden, denn sie hätten in jedem Falle mir versucht zu helfen, auch wenn der ganze Souq daran beteiligt worden wäre. Aber soviel Zeit bleibt mir nicht! |
Am Souqeingang stehen zwei Polizisten, die ich nach dem Weg frage. Sie beschreiben mir mit Hilfe eines Bekannten, der gerade vorbeikommt, den Weg zurück. Hier scheint jeder den Anderen zu kennen und die Welt im Souq ist klein! Schweissgebadet und gestresst aber noch gerade rechtzeitig komme ich zum Treffpunkt. Auch von diesem Abenteuer hat keiner was gemerkt! |
Am frühen Nachmittag fahren wir nach El Hame. Während der Busfahrt durch das Baradatal sehen wir immer wieder Streckenabschnitte der Hedjazbahn, die teils unterbrochen, teils überbaut und so nicht mehr befahrbar sind. El Hame ist ein kleiner damaszener Vorortbahnhof. Allerdings ist der Begriff „Vorortbahnhof“ für europäische Verhältnisse eine glatte Übertreibung. Stehen doch hier nur eine betriebsbereite Dampflok aus dem 19. Jahrhundert und einige Personenwagen mit Holzaufbau im Grünen. „Die Tenderlokomotive 130.755, gebaut bei der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) in Winterthur im Jahre 1894, ist |
bereits seit der Gründerzeit der Bahnlinie Beirut - Damaskus, die noch vor dem Baubeginn der Hedschasbahn im Jahr 1895 eröffnet wurde, ohne größere Unterbrechungen im Einsatz.“ (Reiseausschreibung des Veranstalters). |
Mit unserem Zug wollen wir den derzeit befahrbaren abschnitt der Libanonbahn befahren. Ein Teil der Strecke ist wegen Bauarbeiten gesperrt. „Der über 60 km lange syrische Abschnitt der ehemaligen Bahnlinie nach Beirut - der Betrieb auf libanesischer Seite wurde bereits l976 eingestellt - weist Steigungen bis 26 Promille auf und führt vorbei an den Vororten von Damaskus hinauf in das Antilibanon - Gebirge.“ (Reiseausschreibung des Veranstalters). In der Vergangenheit konnten im Sommer die hitzegeplagten Damaszener mit der Bahn ins Gebirge fahren und so die Sommerfrische genießen. |
Bei der Fahrt durch das Baradatal treffen wir auf begeistert winkende Menschen. Frauen, Kinder, Männer, Jung und Alt sind durch das Pfeifen der Lok auf den Beinen und winken uns immer wieder freundlich zu. An einer Stelle kreuzt die Strasse und wir haben einen unfreiwilligen Aufenthalt, da einige Fahrzeuge so dicht an den Schienen geparkt sind, dass der Zug nicht daran vorbeikommt. Nach einem kurzen Halt und vielen Lokpfiffen, die die Fahrzeuglenker alarmiert haben und signalisieren „Fahrzeuge wegfahren“, geht es weiter. Allerdings erreichen wir nicht den Bahnhof von Sirghaya, da vorher eine Streckensperrung ist und wir nicht weiter können. Nach einigen Scheinanfahrten und dem Nachfüllen des Tenders mit Wasser wieder zurück nach El Hame fahren. |
In der Zwischenzeit hat sich unserem deutschen Filmteam auch das syrische Fernsehen mit einem Kameramann, einem Fotografen und einigen Helfern angeschlossen. Er dreht für das syrische Informationsministerium einen Film über die Hedjazbahn. In den Wagons wird interviewt was das Zeug hält und nirgendwo ist man vor laufenden Filmkameras und neugierigen Fragen sicher!
Gegen Abend kommen wir nach El Hame zurück. Wir fahren einige Meter zur Hauptstrasse, dann geht ein Schrei durch den Bus „Halt“, ein Mitreisender fehlt! Er hatte sich an der Bahnstation von der Gruppe entfernt und war unbemerkt zurückgeblieben. Nach einem kurzen Stopp trifft er ein und wir können weiter zum Djebel Kassiun, wo wir beim Sonnenuntergang einen herrlichen Blick auf Damaskus und die in der Ferne grünenden Obst- und Olivenplantagen haben. |
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Donnerstag, 26. Mai 2005 |
Von widerspenstigen Schafhirten und freundlichen Beduinenfrauen |
Nach einer kurzen Busfahrt erreichen wir „den Bahnhof Damaskus Kadem, wo unsere ganztägige Dampffahrt auf dem ersten Teilabschnitt der Hedschasbahn nach Amman beginnt. Mehrere Personen- und ein Gepäckwaggon aus der Gründerzeit der Bahn stammend, gezogen von Lok 260 (1 ‘Dl‘, Hartmann/1917) bilden unseren Sonderzug im Stile des “international train“. Die ... Dampflokomotiven sind markante Vertreterinnen deutscher Dampflokhersteller, die einen Großteil der Maschinen für die Pilgerbahn lieferten. Trotz Ihres Alters werden die Dampflokomotiven nicht nur für Sonderzüge vorgehalten, sondern auch bei Ausfall der schadanfälligen Diesellokomotiven der CFH vor Planzügen eingesetzt. Derzeit verkehren 2 Personenzüge pro Woche zwischen Damaskus und Amman und mehrmals wöchentlich Güterzüge. Die Hedaschasbahn führt am Beginn ihres Weges, die im Gesamtausbau bis Medina 1302 Kilometer lang war, südlich von Damaskus durch den Hauran, ein flaches Getreideanbaugebiet mit fruchtbaren Basaltböden.“ (Reiseausschreibung des Veranstalters).
Vor Fahrtbeginn werden wir daraufhin gewiesen, dass ein 20 Kilometer langes Fotografierverbot gilt, da wir durch militärisches Gelände fahren. Das Verbot wird nachdrücklich durch einen Mitarbeiter der Bahnverwaltung (oder des syrischen Geheimdienstes?) überwacht, der ständig durch den Zug geht und nachsieht, ob sich alle daran halten. Allerdings frage ich mich, ob das Fotografierverbot der ersten 10 Kilometer wirklich den militärischen Objekten oder dem Müll, der entlang der Bahnlinie liegt, gilt. Es ist nicht eindeutig zu erkennen, ob wir durch Wohngebiete oder an Fabrikgebäuden vorbeifahren, es können aber auch Kasernen gewesen sein. Die Gegend ist jedenfalls menschenleer. Erst weit ausserhalb des Stadtgebietes treffen wir dann wirklich auf Militäranlagen mit freundlich winkenden Soldaten, die exerzieren. |
Wir fahren eine weile entlang des Antilibanongebirges und sehen den schneebedeckten Djebel Hermon, der die Grenze zwischen Syrien, Libanon und Israel bildet. Dann Begeisterung bei allen, die erste Schafherde auf der linken Seite der Gleise! Drei Hirten treiben sie vorüber. Der Zug bleibt stehen, Schafherde mit Hirten, Zug, Moschee und Antilibanon-Gebirge im Hintergrund macht sich gut als Fotomotiv! Also nix wie raus, aus dem Zug. Unser Filmteam ist genauso aufgeregt wie wir und kommt mit dem Film-Equipment angestapft (laufen ist bei dem Gewicht der Ausrüstung nicht drin!). |
Aber werder die Hirten noch die Schafe verstehen unsere Aufregung und das fotografische Fieber. Sie ziehen unbeirrt weiter in Richtung ihres Dorfes. Zwar gibt es verzweifelte Versuche einzelner Reiseteilnehmer, die Schafherde mit dem Hirten in Richtung Zug zum Fototermin zu dirigieren, aber dies scheitert kläglich am Eigensinn von Mensch und Tier. Und so bleibt nur, den Zug ohne Schafherde, dafür aber mit unbeweglichem Gebirge und Moschee zu fotografieren. |
An einer Bahnstation halten wir um die Mittagszeit an. Es ist ein betriebsbedingter Halt, das linke Lager des Tenders ist heiss gelaufen und hat während der Fahrt gebrannt. Aber solche Probleme sind den beiden Lokführern nicht fremd und so wird kurzerhand vom Tender mittels eines kleinen Schlauches eine Wasserzuleitung zur Kühlung auf die Achse gelegt und wir können nach der Mittagsrast ohne Probleme weiterfahren. Es ist zwar eine zweite Dampflok eine halbe Stunde hinter uns, da die Mittagsrast aber länger als eine halbe Stunde dauert und die zweite Lok immer noch nicht da ist, stimmt irgendetwas mit der Zeitangabe nicht! |
In der Zwischenzeit ist unser Bus angekommen und Hassan und der Busfahrer bereiten im Laderaum des Busses inmitten von Koffern und sonstigem Gerät das Mittagessen mit den Zutaten zu, die der Busfahrer mit gebracht hat. Es gibt für alle reichlich Salate, Gurken, sauer eingelegten Kürbis, Kartoffeln, Tomaten, Käse, Joghurt, Homos (Kichererbsenpaste), Gemüse-brei mit Eiern und Fladenbrot, dazu wahlweise einen trockenen Wein oder Cola bzw. Wasser. Es schmeckt köstlich.. |
An einem der Zelte werde ich von zwei Beduinenfrauen zum Kaffee eingeladen. In arabisch frage ich zurück, ob es arabischer Kaffee sei, was die beiden bejahen. Sie gießen mir vorsorglich nur eine halbe Tasse ein, die ich dankend entgegen nehme und trinke. Sie wollen mir nachschenken, ich lehne bedauernd dankend ab. Gerne wäre ich länger bei den Beduinen geblieben um Kaffee zu trinken und mich mit ihnen zu unterhalten, aber die Zeit drängt, und wir müssen zurück in den Zug denn es liegt noch eine längere Strecke vor uns. |
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Nach 123 km Fahrt und einigen weiteren Fotohalten erreichen wir gegen 17.30 Uhr das Stadtgebiet von Dera’a. Die ganze Stadt scheint auf den beinen zu sein, denn unsere Ankunft wird durch das laute Pfeiffen der Lok angekündigt und hat sich in windeseile herumgesprochen. Hier erleben wir ein ganz besonderes Spektakel, denn wir haben nicht nur die Aufmerksamkeit der Bewohner, sondern auch der Polizei, die rechts und links entlang der Bahnstrecke die |
unbeschrankten Bahnübergänge durch zwei Polizeifahrzeuge sichert, und mit Blaulicht neben dem Zug bis zum Bahnhof fährt. Dera’a ist nicht nur Grenzbahnhof zu Jordanien, sondern auch neben Aleppo ein weiterer syrischer Eisenbahnknotenpunkt. Hier zweigt die Ost-West-Linie Bosra – Muzeirib ab. |
Nach einem kurzen Halt fährt unser Zug unter Polizeibegleitung weiter auf der östlichen Stichstrecke in Richtung Bosra. Wir können noch einige schöne Fotos des Zuges im letzten Sonnenlicht schießen, dann geht es weiter. Aber der Zug wird an einem unbeschrankten Bahnübergang von der Polizei angehalten. „Fahrzeug-kontrolle“! Es geht nicht weiter. Die Erklärung: die Staatsgewalt hat Bedenken wegen der nächtlichen Weiterfahrt des Zuges, da die Scheinwerfer der Lok nicht funktionieren und in den Wagons keine Beleuchtung vorhanden ist. |
Da unser Bus parallel zum Zug gefahren ist, steigen wir um und fahren die 33 Kilometer von Dera’a nach Bosra unter Polizeieskorte mit dem Bus bis zum Hotel. Um unsere Wichtigkeit noch zu unterstreichen findet das ganze Spektakel mit Blaulicht und Sirene statt. Es hat den Anschein als seien wir eine offizielle Regierungsdelegation und mit unserem Berliner Filmteam ist es ja auch eine ganz offizielle Mission die wir erfüllen! |
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Freitag, 27. Mai 2005 |
Endlich ist es soweit! Wir steigen in die nostalgischen Wagons mit Holzaufbau unseres Sonderzuges ein, mit dem wir das 12 km lange Reststück der Haifabahn befahren werden und dann geht die Fahrt Richtung Zaizun los. Von Haifa am Mittelmeer nach Deraa wurde 1904 eine Zweigstrecke der Hedschasbahn eröffnet, um den Nachschub von Baumaterial, das mit Schiffen in Haifa ankam, zu den Baustellen an dem nach Süden vorangetriebenen Bahnbau schnell durchführen zu können. Die landschaftlich hochinteressante Strecke führte bis 1947 mit zahlreichen Brücken und Tunnels von 412 m ü.M. hinunter zum See Genezareth, wo sie mit 246 Meter unter dem Meeresspiegel den tiefsten, jemals von einer Eisenbahn erreichten Punkt durchfuhr. Die Bahnlinie wurde jedoch bereits 1948 stark beschädigt und immer weiter verkürzt. Nun ist nur mehr ein 12 km langer, aber trotzdem sehr fotogener Abschnitt entlang der jordanischen Grenze, bis Zeizun für Sonderzüge befahrbar. Damit wir sowohl die Tal- als auch die Bergfahrt fotografisch nützen können, wird unser gemischter Zug nach Zeizun mit Lok 262 (1 ‘D, Hartmann/1 917) und zurück nach Deraa mit Lok 962 (B‘B 1 ‘t Hartmann 1906) bespannt. Die 962 ist eine Dampflok der Bauart Mallet und wurde 2002, nach fast 20 Jahren Abstellzeit, erstmalig wieder in Betrieb genommen.“ (Reiseausschreibung des Veranstalters) Unser Zug hat eine Lok vorne und eine hinten. Gemächlich fahren wir die noch menschenleere Stadtstrecke an Gärten und Feldern entlang und bald sind wir ausserhalb von Dera’a. Vorbei geht es an kleineren Ortschaften mit Häusern auf beiden Seiten der Bahnlinie. Dass hier ein Zug durchfährt, ist eher eine Ausnahme. Und so haben die Anwohner, alles fleissige Heimwerker, über die Bahn Elektroleitungen von Haus zu Haus gespannt. Wir fahren unter einem wahren Gewirr von Drähten und Leitungen durch, die in unterschiedlicher Höhe verlegt sind. Deshalb muss der Zug immer wieder langsam weiterfahren, um keine Leitung herunter zu reissen. Plötzlich geht es nur noch im Schritttempo weiter. Gespannt schauen wir aus den Wagonfenstern und sehen, dass die vordere Lok ganz knapp unter einer Starkstromleitung und einer 220 V-Leitung durchfährt. Das ganze ist so spannend, dass ich gar nicht daran denke, meinen Fotoapparat aus dem Abteil zu holen. Aber der Schornstein passt gerade drunter durch und es geht alles noch mal gut. Jetzt muss nur noch die schiebende Lok diese schwierige Stelle passieren! Entweder ist der Schornstein zu hoch oder die Lok fährt zu schnell (oder beides), sie berührt den untersten Draht der Starkstromleitung, was ein wahres Feuerwerk von Funken auslöst und reisst sie beim Weiterfahren schließlich herunter! Die 220 V-Leitung hängt ebenfalls zu tief. Die Leitung verfängt sich am Schornstein und wir sehen, wie der Holzmast, an dem sie befestigt ist, sich immer mehr zur Bahnseite hin neigt und abzubrechen droht, bis die Leitung mit einem lauten Knall abreisst und sich über dem Dach des Wagons verfängt. Mittlerweile herrscht grosse Aufregung bei Zugpersonal und Lokführern, aber es ist nicht mehr zu ändern, die Kabel sind gekappt. Die Reste der 220 V-Leitung werden von den Wagons herunter gezogen und eingerollt. |
Das Filmteam ist in der Zwischenzeit ebenfalls ausgestiegen. Einer der Filmleute tritt voll in den Matsch und da das Aufgleisen länger dauern wird, geht er runter in die Schlucht seine Schuhe und die Strümpfe waschen. |
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Samstag, 28. Mai 2005 |
Dann kurzer Fotohalt am Wasserturm. Von Dera’a kommt in der Zwischenzeit ein Dampfzug mit Lok 91 (1 ‘D, Hartmann / 1906) im Bahnhof von Bosra an. Bei allen Eisenbahnfreunden steigt die Spannung und Aufregung macht sich breit. Wir fahren weiter zum Theater, wo die Polizei in der Zwischenzeit die Strasse gesperrt hat, was sofort einen Menschenauflauf zur Folge hat. Viele sind auch durch den Dampf und das Pfeifen des Zuges angelockt worden und schauen genauso begeistert wie wir diesem grandiosen Spektakel zu: Triebwagen und Dampfzug stehen beide vor dem antiken römischen Theater. Es ist schon phantastisch, alt und „neu“ so nebeneinander stehen zu sehen! |
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Es schmeckt einfach köstlich und der Inhaber läd mich zum Sitzen im Laden ein. Beim Verlassen des Imbisses fällt, von mir unbemerkt, mein Geldbeutel aus der Tasche auf den Bürgersteig. Ein aufmerksamer Passant läuft laut rufend hinter mir her und gibt ihn mir zurück. Ich freue mich natürlich sehr über die Ehrlichkeit des Mannes und sage ihm auf arabisch tausend Dank, er macht nur eine abwehrende Geste und ist sofort wieder in der Menschenmenge verschwunden. |
An einer Kreuzung treffe ich auf einen Knoblauchhändler, der eifrig seine Ware auf einer Karre sortiert. Da ich ihn fotografieren möchte, frage ich ihn nach der Begrüssung, ob er damit einverstanden ist, was er mir lachend erlaubt. Nach dem Foto stellt sich heraus, dass es sich bei Abdelgrey Nassir wohl um ein echtes Dera’a’er Original handelt. Wir kommen sofort ins Gespräch. Er bietet mir seinen Sitzplatz und ein Glas Tee an. |
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Sofort sind wir von Bekannten und Freunden von Abdelgrey Nassir umringt, die mich genauso neugierig beäugen, wie ich sie. Auch der Wasserverkäufer, der gerade keine Kundschaft hat, kommt von der anderen Strassenseite herüber und begrüsst mich ebenfalls. Für alle ist der Fremde aus Allemany genauso exotisch, wie die Orientalen es für mich sind. Abdelgrey Nassir bietet mir einen Tee nach dem anderen an. Er, der sonst täglich viele Stunden alleine an seinem Knoblauchstand verbringt, ist für kurze Zeit zum Publikumsmagnet geworden, und darauf ist er sehr stolz. Die Menge verläuft sich, andere Neugierige kommen hinzu. Mein Gastgeber ruft einen Bekannten herbei, weil unser Gespräch auf arabisch ins stocken geraten ist. Er möchte einen Abzug von den Bildern und der Bekannte erklärt mir dies auf englisch. Zuletzt schreibt er mir die Adresse auf. Nach unserer Rückkehr werde ich Abdelgrey Nassir die Bilder zuschicken, ich habe ihm mein Wort gegeben! |
Es ist genug Platz für alle da und so können wir uns richtig ausbreiten. Es gibt sogar im vorderen Zugteil eine Polsterklasse, mit alten Bildern in den Abteilen. Die Holzklasse finde ich praktischer, da es sich bei unserem Abteil um ein "Grossraumabteil" handelt, ohne störende Zwischentüren. So kann ich für Fotos schnell von einer Seite auf die andere wechseln. |
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Unser Sonderzug nach Amman besteht aus einem gemischten Zug (GmP) mit 2 Personenwagen und 4 Güterwagen und wird von der jordanische Dampflok 71 gezogen. |
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Da wir uns im Grenzbereich zwischen Syrien und Jordanien befinden, ist auch dieses Mal das Fotografieren auf einer Strecke von 20 km bis zum jordanischen Grenzbahnhof Mafraq verboten, was wiederum von Militärs im Zug überwacht wird. Trotzdem ist die Stimmung im Zug gut. Im Grenzgebiet sind weite Flächen entlang der Autobahn eingezäunt, um Schmugglern den Übergang so schwer wie möglich zu machen. Plötzlich höre ich Motorengeräusch am Himmel. Beim Hochschauen entdecke ich ein Leichtflugzeug, dass über unserem Zug seine Runden dreht. Es fliegt so tief, dass ich den Piloten erkennen kann. Ich winke ihm zu, er winkt zurück. Es befindet sich noch ein zweiter Passagier an Bord, und als ich genau hinschaue, sehe ich, dass er den Zug fotografiert und wohl auch filmt. Immer wieder fliegt die kleine Maschine über uns hinweg. Mittlerweile haben alle das Flugzeug gehört, und schauen aus den Wagonfenstern und winken den beiden zu. Es werden die abenteuerlichsten Spekulationen über den Fotografen angestellt, und scherzhaft gesagt, dass die Jordanier so modern sind, dass sie ihre Grenzkontrollen und die Abfertigung aus der Luft abwickeln. |
Die Dunkelheit bricht schnell herein und wir stellen fest, dass wir spät in Amman ankommen werden. Im Abteil werden die ersten Taschenlampen im Gepäck gesucht, denn die Abteile haben keine Beleuchtung! Da unser Bus parallel zum Sonderzug fährt, haben die, welche gerne früher in Amman sein möchten die Möglichkeit, mit dem Bus zurück zu fahren. Einige von unserer Gruppe nutzen diese Chance in Az Zarqa und steigen in den Bus um, da wir nicht genau wissen, wann wir in Amman sein werden. Am Bahnhof steht ein Bauchladenhändler mit Getränken. Im Nu ist er von uns umringt, es ist trotz der Abendstunde warm und wir haben alle nach diesem staubigen Tag Durst und wollen endlich etwas anderes trinken als warmes Wasser. Er mach das Geschäft des Tages. Seine Getränke sind schnell ausverkauft. Später im Zug ruft uns Hans, unser deutscher Reiseorganisator im Abteil zusammen. Awni hat in Az Zarqa zwei frischgebackene, mit Tomaten gefüllte Fladenbrote gekauft, die noch warm sind. Schnell sind zwei Messer organisiert und die Brote aufgeteilt. Hände greifen immer wieder zu und Stück für Stück verschwindet in hungrigen Mündern. Die Stimmung ist grossartig. Allerdings warnt uns Awni vor Steine werfenden Palestinensern, an deren Lagern wir vorbeifahren.
Der Souq von Az Zarqa ist hell erleuchtet und wir können von unseren Abteilen auf die Marktstände und die Menschen schauen. Wir sitzen im Abteil und achten darauf, dass wir uns nicht aus den Fenstern lehnen. Trotzdem wird ein Mitreisender plötzlich an der Schläfe von einem Stein getroffen. Ausser dem Schreck ist ihm Gott sei dank nichts weiter passiert! Trotzdem sind wir noch vorsichtiger als vorher. Auf dem Stadtgebiet von Amman bleibt der Sonderzug immer wieder nach kurzer Fahrt stehen, da ihm der Dampf ausgeht. So kommt es zu weiteren Verzögerungen. In Amman scheint man schon auf unsere Ankunft gewartet zu haben, denn wir sehen in der Ferne ein Feuerwerk am nächtlichen Himmel. Es soll nicht dass einzige und letzte Highlite dieses Abends sein. Denn als wir gegen 21.00 Uhr im Ammaner Bahnhof ankommen, werden wir von Sirenengeheul der Feuerwehr und von besorgten Sanitätern des Roten Halbmondes empfangen, die uns aus unserem (brennenden) Zug retten wollen. Besorgte Anwohner hatten an der Bahnlinie eine schwarze Rauchwolke gesehen und vorsorglich die Feuerwehr alarmiert, die sofort zum Ammaner Bahnhof ausrückte. Gegen 21.30 Uhr erreichen wir unser Hotel, gerade noch rechtzeitig, um noch eine Kleinigkeit vom Abendessen ab zu bekommen, da das Buffet nur bis 22.30 Uhr geöffnet ist. |
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Sonntag, 29. Mai 2005 |
Am Sonntagmorgen geht es gegen 8.30 Uhr zum Ammaner Bahnhof, wo wir unsere Sonderfahrt auf der Hedjazbahn weiter in den Süden nach Qatrana fortsetzen. Es bleibt noch Zeit bis zur Abfahrt. Awni kauft für alle reichlich Wasser ein. Am Bahnhof sehe ich mich um und gehe zum Verwaltungsgebäude, da ich mir eine Prospektmappe der Hedjazbahnverwaltung besorgen möchte, die einige Mitreisende schon haben. Diesmal versuche ich es auf englisch, werde sogar verstanden, aber der Mitarbeiter am Empfang weiss nicht, was ich mit der Infomappe meine. Er bringt mich zum Büro einer Mitarbeiterin, diese ruft einen dritten , der mich zum Bahnhofsgebäude zurückbringt. Im Büro des Verantwortlichen für die Öffentlichkeitsarbeit, dessen Arbeit sich in Präsenz zu erschöpfen scheint, werde ich nach der arabischen Begrüssung und etwas Small-Talk fündig. Es gibt sogar noch einen weiteren Prospekt. Mit meiner „Jagdbeute“ gehe ich zum Zug und bringe sie ins Abteil, nicht ohne sie stolz vorher einigen Mitreisenden gezeigt zu haben. Sofort entwickelt sich weiteres Jagdfieber und alles geht in das entsprechende Büro. Als ich eintreffe, hat es sich gefüllt und der Bürovorsteher tief in seine Prospektkiste gegriffen. Er verteilt nun an alle freizügig Prospekte über die Hedjazbahn. |
In der Zwischenzeit hat ein anderer Mitreisender das kleine Hedjazbahnmuseum entdeckt, dass etwas weiter weg vom Bahnhof in einem unscheinbaren Schuppen versteckt ist. Auch hier treffen wir auf Mitarbeiter, die nur darauf zu warten scheinen, dass sich jemand für die ausgestellten Exponate interessiert. In der Mitte des Raumes ist eine Modelleisenbahn der Hedjazbahn aufgestellt. Ein Mitarbeiter zieht das Federwerk der Lok auf und schon schnurrt sie mit einigen Wagen munter im Kreis. In einer Vitrine liegen alte Fahrkarten, die ein weiterer Mitarbeiter stolz präsentiert. Zu sehen sind alte Telegrafen und Gerätschaften, die früher im Bahnhof benutzt wurden und natürlich der Stammbaum des jordanischen Königshauses, der uns stolz erklärt wird. Das Museum ist sehenswert und sollte in jedem Fall wenn es die Zeit zulässt, besichtigt werden. Nach der Besichtigung geht es mit unserem Sonderzug los. „Zum Einsatz kommt heute die Dampflok 51 (1 ‘Dl‘, Jung /1955) vor einem gemischten Personenzug. Die deutsche Mikado-Bauart gehörte zu den letzten Dampflokomotiven, die von der Hedjaz Jordan Railway (HJR) gekauft wurden. An einem Zwischenbahnhof werden wir dann die Lok 51 gegen die Lok 82 wechseln. Die elegante Pacific, mit der Achsfolge 2‘C 1‘, wurde bei Nippon in Japan im Jahre 1953 für die Thailändische Staatsbahn gebaut, jedoch nicht abgeliefert und kam dann 1959 zur Hedschasbahn - Verwaltung.“ (Ausschreibung des Reiseveranstalters) |
Am späten Nachmittag kommen wir nach 104 km und mehreren Stunden Fahrt in Qatrana an, wo unser Bus auf uns wartet. Er bringt uns zum Wadi Musa, unserem vorletzten Ziel. Mir ist gar nicht so recht bewusst und es will mir auch nicht so recht in den Kopf, dass sich unsere Reise ihrem Ende nähert, so fasziniert bin ich von dem Erlebten. Ich glaube, eigentlich will ich in diesem Moment gar nicht, dass die Reise zu Ende geht! Melancholie macht sich in mir breit und ich werde ganz still. Noch einmal lasse ich die Bilder und Erlebnisse durch meinen Kopf ziehen. |
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Montag, 30. Mai 2005 |
Früh am Montagmorgen machen wir uns auf den Weg nach Petra, der roten Felsenstadt der Nabatäer, „welche um die Zeitenwende von dem geheimnisvollen arabischen Händlervolk der Nabatäer im Schutz der Berge des Landes Edom erbaut wurde.“ Nachdem wir uns mit Wasser versorgt haben, kann es los gehen. |
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Dienstag, 31. Mai 2005 |
Am Dienstag fahren wir gegen 7.30 Uhr zum Flughafen von Amman, wo wir für den Flug um 9.40 Uhr mit der Royal Jordanian Airlines nach Frankfurt/M einchecken. Die Maschine ist nicht ausgebucht. Der Service ist diesmal bescheiden, ich bin besseres von Fluggesellschaften gewöhnt. Wir fliegen zurück, in ein graues, kaltes Land. |
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2005 - 2006 J. Scherer
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