Wenn der Salzwasserspiegel fällt

Das Tote Meer trocknet aus

Terror und Gewalt, das gehört in Israel und den von ihm besetzten Gebieten nach wie vor zum Alltag. Dennoch gibt es gerade wieder mal einen Funken Hoffnung. Die Aussichten auf eine internationale Nahost-Konferenz haben sich verbessert, nachdem sich die US-Regierung wieder verstärkt einmischt. Neben der politischen Krise ist Wasser seit Jahrzehnten eines der Streitobjekte im Nahost-Konflikt. Bislang entnehmen die Israelis nach Belieben Grundwasser auch in den besetzten Gebieten, während die Palästinenser knapp gehalten werden. Der Durchschnitts-Israeli verbraucht etwa viermal soviel Wasser wie ein Palästinenser. Doch die natürlichen Wasservorräte gehen auch für Israel allmählich zu Ende. Mit unpopulären Sparmassnahmen versucht die Regierung gegenzusteuern, bislang hat sich an der Notlage nichts geändert.

Am deutlichsten ist der extreme Wassernotstand am Toten Meer zu sehen. Derzeit sinkt der Wasserspiegel jährlich um einen Meter. Hemmungslos graben die Anrainer dem tiefsten Punkt auf dem Globus das Wasser ab. Ob es überhaupt noch eine Chance für die Wiege jüdischer und christlicher Kultur gibt, oder ob das Tote Meer seinem Namen bald alle Ehre macht?

Für die einen ist der schwarze Schlamm ein Riesenspass, fingerdick wird er auf die Haut geschmiert, dann lässt man sich in der prallen Sonne trocknen. Die anderen reisen aus Europa an zum Kuren und Heilen von Hautkrankheiten. Der Strand vom Kibbuz ein Gedi ist weltbekannt. Schon König Salomon hatte hier gekurt, Königin Kleopatra soll mit dem Schlamm ihre Haut geschmeidig und zart gemacht haben und auch Herodes der Grosse machte Ausflüge ans Tote Meer, das zur biblischen Zeit Salzmeer genannt wurde. Doch in den vergangenen 20 Jahren ist der Wasserspiegel um 20 Meter gefallen. Was ist passiert? Inzwischen bringt eine kleine Bahn die Badegäste zum Strand. In 50 Jahren, so fürchten Wasserexperten, ist der Salzsee ausgetrocknet. Kaum noch ein Tropfen Süsswasser kommt über den Jordan ins Tote Meer. Heute denkt niemand daran, dass die nächste Generation diesen Badespass vielleicht nicht mehr haben kann. Schwimmen ist fast unmöglich, aber selbst Nichtschwimmer werden nicht untergehen wegen des hohen Salzgehalts. Das Wasser fühlt sich ölig an vom Kalziumchlorid und schmeckt stark bitter vom Magnesiumchlorid. Am Ufer kann man deutlich erkennen, wieweit jedes Jahr der Wasserspiegel reichte.

"Gefahr" warnen die Schilder. Seitdem der Meeresspiegel jährlich um einen Meter zurückgeht, macht sich die Erde auf. Seit Jahren beschäftigt sich der Geologe Eli Raz mit diesem Phänomen. Insgesamt 65 Löcher hat er in seiner Karte eingezeichnet. Erst entsteht ein kleines Loch, dann stürzt der Rand ein. Der Durchmesser wird immer grösser, doch die Tiefe der Löcher bleibt gleich, bis zu elf Meter. Wenn der Salzwasserspiegel fällt, dringt süsses Grundwasser nach, löst tiefergelegene Salzflöze auf, es entstehen Hohlräume, dadurch bricht der Boden ein. Schon im ersten Buch Mose werden solche Löcher erwähnt. Es herrscht Krieg in der Gegend. Die Könige von Soddom und Gommora werden in die Flucht geschlagen, fallen in Gruben. Die Forschung hat festgestellt, dass der Wasserspiegel des Toten Meeres damals dramatisch gefallen sei. Heute machen Umweltschützer die Industrie für die Misere verantwortlich. Sie haben eine Kampagne gestartet unter dem Motto: Lasst das Tote Meer leben! Potasche, Brom und Magnesium sind das grosse Geschäft. Dafür müssen aber jährlich 400 Millionen Kubikmeter Salzwasser aus dem nördlichen Teil in den südlichen gepumpt werden. Das Wasser verdunstet, mit riesigen Maschinen wird das Konzentrat geerntet. Die Industrie gibt zu, dass sie mit zwölf Prozent am Rückgang des Wasserspiegels verantwortlich ist. Das Tote Meer können nur die beiden Anlieger gemeinsam retten - Israel und Jordanien. Einzige Lösung: Wasser aus dem Mittelmeer oder dem Roten Meer hier über einen Kanal oder durch eine Pipeline hierher schaffen. Umweltgruppen drängen, dass eine internationale Behörde sich um die Rettung des Toten Meeres kümmern soll, am besten wäre, wenn die ganze Region als Weltkulturerbe anerkannt würde.

Quellenangabe:

Filmautor: Peter Dudzik, ARD-Tel Aviv (ARD Bericht 02.06.2002. Weltspiegel Bayerischer Rundfunk)


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