Das Kopftuchverbot in Frankreich |
Vorbemerkungen zu dem Interview mit Alain Finkielkraut
Während in Deutschland noch in den einzelnen Bundesländern auf Grund des Urteils des Bundesverfasssungsgerichtes über das muslimische Kopftuchverbot diskutiert wird und die Diskussion durch die Äusserungen von Politikern weiter angeheizt wird, hat die Zentralregierung in Frankreich sich entschieden: Koptuch ja, aber nur im privaten Raum. An Orten wo die eigene Kultur weitergegeben wird, hat das Kopftuch nichts zu suchen. Dies bedeutet auch Chancen der Integration, die von muslimischen Mitbürgern genutzt werden sollten. Das Kopftuch ist nicht nur ein Symbol für einen anderen Kultur- und Religionskreis, es kann auch ausgrenzen in einer Welt, die immer enger zusammenrückt, sich die Kulturen aber durch Abgrenzung scheinbar immer weiter voneinander entfernen. Gerade weil es nicht nur ein kulturelles sondern auch ein religiöses Symbol ist, können seine Trägerinnen leicht in den Verdacht geraten, nicht nur fundamentalistisch sondern extrimistisch zu sein. Dies dient niemand und erweitert die Kluft zwischen den Kulturen um so mehr. Josef Scherer |
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Interview!
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Sie müssen sich integrieren |
Der Philosoph Alain Finkielkraut fordert von Frankreichs Muslimen, die Werte der Republik zu respektieren. |
FOCUS:
Das
Schleierverbot hat eine enorme Protestwelle ausgelöst. Hätte die Regierung
das nicht voraussehen können? Finkielkraut: Vielleicht hat die Regierung die internationale Wirkung des Gesetzes unterschätzt. Aber die Alternative wäre gewesen, ein viel schwerwiegenderes Problem weiterhin zu ignorieren: dass der islamische Extremismus in die Schulen getragen wird. |
FOCUS:
Stellen
verschleierte Schülerinnen denn ernsthaft die Republik in Frage? Finkielkraut:
Die
Schule ist ein besonderer Ort, hier wird die Kultur weitergegeben. Darum
müssen die Regeln genau festgelegt werden. Und die sagen: Der Schleier
ist als Ausdruck einer religiösen Gruppe verboten. Das gilt natürlich
nicht für den privaten Raum. |
FOCUS:
Multikulturelle
Gesellschaft, ade? Finkielkraut:
Es
war nie das Ziel, die jakobinische Republik in ein multikulturell zersplittertes
Frankreich zu verwandeln. Das Gesetz stellt klar, dass die verschleierten
Musliminnen das Problem sind und nicht die Normen, die sich die Republik
gegeben hat. |
FOCUS:
Verteidigen
Sie nicht eine sehr statische Republik, die sich Veränderungen verweigert,
zumal gefordert von der zweitgrößten Religionsgemeinschaft des Landes? Finkielkraut:
Zunächst
gilt für alle Einwanderer die Notwendigkeit, sich zu integrieren - in
eine andere Welt, deren Gebräuche und Regeln: Sie müssen die Prinzipien
einer Gesellschaft akzeptieren. Erst wenn das gewährleistet ist, kann
man vieles zulassen. Eine Gemeinschaft innerhalb einer Nation existiert
nicht dadurch, dass sie Rechte beansprucht. Die
Muslime wollen dies und das, und deshalb gehören sie zu Frankreich? Nein.
Sie wohnen in Frankreich, und sie können etwas fordern. Aber: Sie leben
in einem Land, das ohne sie zusammengefunden hat und das sie jetzt aufnimmt.
Die absolute Mehrheit der Muslime hat übrigens kein Problem mit der Republik. |
FOCUS:
Schadet
der Konflikt Frankreichs Ansehen in der arabischen Welt? Finkielkraut:
In Wahrheit haben wir eine große Verantwortung. Wenn Frankreich jetzt
einknickt, stärkt das die Extremisten in den muslimischen Ländern.
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BildunterschriftALAIN FINKIELKRAUT, 54
• Der
Philosoph und Schriftsteller
gehört zu Frankreichs einflussreichsten Intellektuellen. Er unterrichtet
an der Eliteschule Ecole Polytechnique. • Die Regierung berief ihn im vergangenen Jahr in das Antirassismus-Komitee. |
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Quelle: FOCUS 5/2004 |
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©
2004 Josef Scherer
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